Lebenskunst
1./2.11. | 07:05 | Ö1
LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, Allerheiligen, 1. November 2025, 7:05 – 8:00, Ö1
online:
Wem gehört das Himmelreich?
Ein Herz ohne Falschheit und ohne Feigheit – Aspekte der Bibel
(Matthäus 5, 1-12a)
Eigentlich als Freudenfest gedacht, reichen dessen Anfänge bis ins 4. Jahrhundert zurück: das christliche „Fest aller Heiligen“. Dass es am 1. November begangen wird, geht auf Traditionen aus Irland und England zurück, die über Missionare im 8. Jahrhundert auf den europäischen Kontinent gelangt sind. Für die katholische Kirche ein Hochfest, ist der 1. November auch für die evangelische Kirche ein Gedenktag. Das Fest soll den Blick auf das Ziel setzen, für das, laut christlicher Überlieferung, Gott den Menschen geschaffen hat, „getragen von der Gemeinschaft der von Gott Erwählten“. Um den „Einlass in das Reich Gottes“ geht es auch in den „Seligpreisungen“ der sogenannten Bergpredigt im Matthäusevangelium, ein Bibelabschnitt, der für katholische Gottesdienste zu Allerheiligen vorgesehen ist. Ähnlich findet er sich im Lukasevangelium, hier sind die „Seligpreisungen“ zusätzlich versehen mit sogenannten „Weherufen“. Ein aufrüttelnder Text, so hat ihn auch Andreas Berghöfer verstanden. Der pensionierte Hauptschullehrer war in der evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Liesing als Lektor und langjähriger, engagierter Mitarbeiter tätig. Ein „Wiener Original“, wie es heißt, das weit über Wien hinaus bekannt wurde durch sein Buch mit einer Auswahl biblischer Erzählungen: „Gschichtn vom Jesus und seine Leit“, geschrieben im Wiener Dialekt. Am 20. August ist Andreas Berghöfer beim Ausüben seiner Lieblingssportart Klettern tödlich verunglückt. In LEBENSKUNST ist er noch einmal mit einem Auszug aus seinem Buch zu hören: „Di Sölichpreisungen“ …
https://epv-evang.at/shop/berghoefer-gschichtn-vom-jesus-und-seine-leit/
Heiliges und Scheinheiliges in der Leobener Stadtpfarrkirche – Eine künstlerische Intervention
Um Reflexionen zu heilig und scheinheilig geht es dieser Tage in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Xaver im steirischen Leoben. Eine künstlerische Intervention von Oskar Stocker, kuratiert von Elena Holzhausen, lädt zu einem visuellen Dialog ein: Die männlichen Apostelfiguren der Kirche sind mit lachsrosa Seide verhüllt, und große zeitgenössische Frauenporträts aus Leoben befinden sich als lebendige Gegenstücke ihnen gegenüber. Begonnen hat alles mit der Frage des Künstlers, ob es denn in der Stadtpfarrkirche nur Männerheilige gebe. Frauenheilige gebe es viele, doch ihre Statuen stünden in den Seitenaltären, hatte daraufhin Stadtpfarrer Markus Plöbst geantwortet. Nun sind ins Zentrum gerückte Frauen und verhüllte männliche Heilige noch bis zum 16. November zu sehen und zu reflektieren. Werner Ranacher aus dem ORF-Landesstudio Steiermark berichtet.
https://www.leoben.at/events/kunstintervention-schein-heilig/
Letzte Worte – Katharina Feist-Merhaut liest aus ihrem Roman „sterben üben“
Dass sich der Brauch durchgesetzt hat, am 1. November die Friedhöfe zu besuchen, liegt wohl auch daran, dass Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag ist. Der auf Allerheiligen folgende Allerseelen-Tag ist nicht arbeitsfrei; es sei denn, er fällt wie heuer auf einen Sonntag. Doch was – christlich gesprochen – das Heiligen-Gedenken und das Gedenken der Verstorbenen jedenfalls verbindet, ist ein Blick, der sich vom irdischen Leben hin zu einer himmlischen Vollendung weiten mag. Einüben in das, was kommt – und zwar jetzt ganz irdisch gesprochen, in Sterben und Tod – darum geht es in Katharina Feist-Merhauts Debütroman „sterben üben“. Mehrere Jahre lang hat die nun 35-Jährige Gespräche und Begegnungen mit ihrer Großmutter notiert und schließlich das Notierte zu einem Roman werden lassen. Für LEBENSKUNST liest sie ein Kapitel, das von dem ihr unbekannten Großvater erzählt, dem ersten Mann ihrer Großmutter und Vater ihrer Mutter, der als junger Mensch gestorben ist und davor noch eine Audiokassette mit letzten Worten für seine Lieben besprochen und hinterlassen hat.
Katharina Feist-Merhaut: sterben üben. Otto Müller Verlag
Ausgespannt hin auf die Begegnung mit Gott – Antonio Salieris Requiem für sich selbst
Im Jubiläumsjahr des 200. Geburtstags von Johann Strauss Sohn wäre sein 200. Todestag beinahe untergegangen: Antonio Salieri ist 1825 in Wien gestorben. Der hochgeachtete langjährige Hofkapellmeister, geboren 1750 in der Republik Venedig, war höchst fruchtbarer Komponist, Lehrer und Förderer zahlreicher Schülerinnen und Schüler, unter ihnen Beethoven und Schubert. Keinesfalls war er freilich der hasserfüllte Giftmörder von Wolfgang Amadeus Mozart, wie ihn manche vielleicht seit Miloš Formans Filmdrama „Amadeus“ in Erinnerung haben. Viele Jahre vor seinem Tod hat Antonio Salieri ein Requiem komponiert, das für sein eigenes Begräbnis gedacht war: ein sehr persönliches Werk, eine tiefe Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit, Schuld und Erlösungshoffnung. Dieses Requiem, dirigiert von Mirjam Schmidt und aufgeführt von der Wiener Hofmusikkapelle, wird am 2. November ab 9:15 Uhr in der Wiener Hofburgkapelle zu hören sein – im Rahmen einer Messe, zelebriert von Peter Schipka. Martin Gross mit einer Hinführung zu Antonio Salieris selten aufgeführtem Requiem in c-Moll.
Redaktion & Moderation: Doris Appel
LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, Allerseelen, 2. November 2025, 7:05 – 8:00, Ö1
online:
Trauer, ein Liebesprozess
Beziehungsarbeit auf dem Friedhof – Aspekte der Bibel
(Psalm 90, 5.6.10.12)
Einer der ältesten Psalmen, die in der Bibel überliefert sind, ist Psalm 90. Er setzt die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens in Bezug zur Ewigkeit Gottes und ermutigt, die begrenzte Zeit auf Erden klug zu nutzen, damit das Leben einen sinnvollen Zweck erfüllt. Dazu gehört auch Beziehungsarbeit, meint der neue Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich, Pfarrer Ralf Stoffers. Und diese Beziehungsarbeit könne durchaus auch auf dem Friedhof geschehen. Weil es in der evangelisch-reformierten Kirche keine feste Leseordnung gibt, hat sich Ralf Stoffers selbst den Psalm bewusst für den „Allerseelen-Tag“ ausgesucht.
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? – Aspekte der Bibel
(Jesaja 25, 6-9)
Für katholische Gottesdienste am Sonntag, dem 2. November, Allerseelen, ist unter anderem ein Text aus dem alttestamentlichen Jesaja-Buch vorgesehen. Er verheißt ein großes Festmahl, das Gott einst auf dem Berg Zion für die Menschen geben wird. Wenn auch erst eine tastende Hoffnung im Raum steht, für die katholische Theologin und Liturgiewissenschafterin Ingrid Fischer taugt das Festmahl als Bild, das Agnostiker wie Glaubende verbinden und angesichts des Todes trösten mag.
Wenn sich das Religiöse in Menschwerdungen konzentriert – Gedanken zum 50. Todestag von Pier Paolo Pasolini (1922-1975)
Religion war, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, eines seiner Themen, Kirche sogar – und der Kommunismus, die kommunistische Partei. Weder mit Kirche noch mit Partei hatte er es leicht, im Gegenteil: Dem italienischen Dichter, Publizisten und Filmregisseur Pier Paolo Pasolini, „Atheist und religiöse Seele“, wie es heißt, ist es um Menschwerdung gegangen – und das war und ist nicht eben leicht zu verstehen. Geboren 1922 in Bologna und später u.a. im Friaul lebend, flieht er 28-jährig mit seiner Mutter nach Rom, um einer Verfolgung wegen angeblicher Sittenverstöße und seiner Homosexualität zu entkommen. In Rom findet er eine neue Basis für seine kreative Arbeit. Ein Film ragt aus Pasolinis „religiösem“ Werk besonders empor: „Das 1. Evangelium – Matthäus“ (in der italienischen Version als 2. Evangelium bezeichnet, „Il Vangelo secondo Matteo“) rüttelt ab 1964 mit den Anliegen Jesu hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit und Menschenliebe auf. Pasolini widmet den Film „seinem“ Papst Johannes XXIII., der kurz vorher verstorben ist. Er selbst stirbt vor 50 Jahren, am 1./2. November 1975; seine Ermordung durch einen jungen Straßenprostituierten gilt als nicht endgültig aufgeklärt. Pasolini wurde 53 Jahre alt. Der Schriftsteller und Journalist Herbert Maurer über Pier Paolo Pasolini, bei dem sich „das Religiöse szenisch in Menschwerdungen konzentriert und der Mensch als Schauspieler der vom Himmel gefallene Zufall ist“.
Hinweis: In der „Galerie der abseitigen Künste“ werden die Gespräche, die Gideon Bachmann mit Pier Paolo Pasolini in den Jahren von 1963 bis 1975 geführt hat, zum ersten Mal in deutscher Sprache publiziert. Herbert Maurer zitiert daraus.
https://www.galerie-der-abseitigen-kuenste.de/projekt/ciao-gideon
Den Schmerz nicht verheimlichen – Vom konstruktiven Umgang mit Trauer
Der mittlerweile 70-jährige deutsche Psychologe, Psychotherapeut und evangelische Theologe Roland Kachler hat vor einigen Jahren, nach dem Unfalltod seines 16-jährigen Sohnes Simon, erfahren, dass die gängigen Trauermodelle ihm selbst nicht helfen konnten, seinen Schmerz zu überwinden. Er hat zu suchen begonnen und einen neuen Weg der Trauerarbeit gefunden: Nicht das Loslassen, sondern die Liebe zum Verstorbenen steht im Zentrum des Trauerprozesses. Brigitte Krautgartner hat mit Roland Kachler über einen guten Umgang mit dem Erleben von Verlust und Abschied gesprochen, hin zu einer neuen Beziehung zum Verstorbenen.
Moderation: Martin Gross
Redaktion: Doris Appel
