Frauenbewegung: Papst-Enzyklika stärkt Geschlechtergerechtigkeit
Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) sieht sich durch Papst Franziskus und seine neue Sozialenzyklika "Fratelli tutti" in ihrem Anliegen bestärkt, "für Gerechtigkeit und damit auch Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft und Kirche einzutreten". Das hat kfbö-Vorsitzende Angelika Ritter-Grepl mit dem Hinweis auf die vom Papst geforderte "Politik der Liebe" verbunden: Dies sei als ein Aufruf zur Herstellung umfassender Gerechtigkeit zu verstehen, zu einer "Strukturrevolution hin zu einer Gesellschafts- und Weltordnung, in der die Entfaltung des guten Lebens für alle möglich ist". Der Appell gelte auch für Frauen, denen Franziskus ausdrücklich "die gleiche Würde und die gleichen Rechte" zuerkennt, so Ritter-Grepl.
In ihrer Stellungnahme vom Mittwoch nahm sie die Enzyklika auch gegen die vielfach geäußerte Kritik am Titel - Franziskus spricht explizit "Brüder" an und lässt "Schwestern" unerwähnt - in Schutz. Ritter-Grepl : "Die Botschaft dieser Sozialenzyklika ist unmissverständlich an alle Menschen gerichtet. Wir in der kfbö verstehen sie als Aufruf, unserem ureigenen Auftrag weiter nachzukommen. In diesem Sinne also: avanti sorelle - vorwärts, Schwestern!"
Bei der Analyse der Enzyklika stützte sich die kfbö-Vorsitzende auf die Expertise der Innsbrucker Theologin Michaela Quast-Neulinger. Dass der Papst die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche nicht direkt anspricht, sei "einerseits ein kritisierbares Faktum", andererseits gelte - wie auch sonst in dem Lehrschreiben - die für alle Bereichen des menschlichen Zusammenlebens zugrundeliegende Papst-Aufforderung, "selbst aktiv zu werden". Quast-Neulinger, die am Innsbrucker Institut für systematische Theologie forscht und lehrt, nannte dies eine "Aufforderung zur Selbstinitiative in Gemeinschaft".
Jenseits einer "gönnerhaften Charity, die die Armen und Bedrängten mit Almosen abspeist", bekenne sich Franziskus zu den universalen Menschenrechten und der Charta der Vereinten Nationen, heißt es in der kfbö-Aussendung. In einer höchst zerbrechlich gewordenen Ordnung sei es der Papst, der die Staaten zu Rechtsstaatlichkeit ermahne und die Grundregeln internationaler Diplomatie einfordere. Im Zusammenhang damit spreche er den Ausschluss von Frauen aus der derzeitigen Ordnung direkt an, etwa, wenn er es für "inakzeptabel" erkläre, "dass eine Person weniger Rechte hat, weil sie eine Frau ist". Eine Politik der Liebe stehe dem radikal entgegen, zitierte die Frauenbewegung den Papst: "Wer Unrecht erleidet, muss seine Rechte und die seiner Familie nachdrücklich verteidigen, eben weil er die ihm gegebene Würde schützen muss, eine Würde, die Gott liebt."
Kirche und auch kfbö "höchst politisch"
Die Kirche achte die Autonomie der Politik, "aber ihre Mission ist u.a. das Mitwirken an einer besseren Welt, und damit ist sie höchst politisch", betonte Michaela Quast-Neulinger. Der Papst verdeutliche in der Enzyklika, dass Religion "legitimerweise politisch" sei, insofern sie auf das Wohl aller abzielt. Die institutionelle Trennung von Kirche und Staat sei damit zwar notwendig, "die aktive Präsenz religiöser Gemeinschaften und der Gläubigen im Politischen hingegen unverzichtbar".
"Tutti fratelli" nenne das Unrecht in der Welt klar beim Namen, das neoliberale System der Ausbeutung, die Nationalismen, die Verachtung der Geringen und die Entsorgung der "Nutzlosen", wiesen Ritter-Grepl und Quast-Neulinger hin. Der Papst stelle der selbstregulierenden Macht der Märkte eine Politik gegenüber, die auf umfassende Geschwisterlichkeit setze. Eine solche Politik könne sich auch nicht mit dem Label "christlich" schmücken, "sondern sie ist schlicht 'beste Politik' zum Wohle aller".
Die Katholische Frauenbewegung als größte Frauenorganisation Österreichs verstehe sich in dieser Tradition politischen Handelns, so die kfbö-Vorsitzende. Auf nationaler Ebene befasst sie sich etwa mit Gewalt gegen Frauen oder Geschlechter-Ungerechtigkeiten am Arbeitsmarkt; global engagiert sich die kfbö mit ihrer "Aktion Familienfasttag", die in Ländern des Südens Frauen bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt.
Quelle: kathpress