Orden: "Kulturtag" zeigt Balanceakt zwischen Kultur und Spiritualität
Kunst und Kultur ist in vielen Ordensgemeinschaften Ausdruck und Vermittler der eigenen Spiritualität. Den Blick auf die Herausforderungen in diesem Bereich richtet alljährlich der "Kulturtag" bei den Ordenstagungen. Karin Mayer, dafür zuständige Bereichsleiterin bei der Ordenskonferenz, konnte am Mittwoch im Wiener Kardinal-König-Haus mehr als 60 Fachleute aus den Stiften und Klöstern Österreichs begrüßen. "Ob wir wollen oder nicht, wir hinterlassen Spuren", stellte dabei der Salzburger Erzabt Korbinian Birnbacher einleitend fest. In vielen Orden sei ein Rückgang festzustellen, der Abbruch könne jedoch auch "Beginn eines neuen Aufbruchs" sein, so der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz. Spuren davon fänden sich in den Archiven und Kulturgütern "auf Dauer gesichert".
Beim Kulturtag standen diesmal dennoch Beispiele aktiver Orden und deren Umgang mit Kulturgut im Mittelpunkt. Etwa die Frage: "Wie kann ein aktives Kloster seine Gäste glücklich machen?", beantwortet am Beispiel des Top-Tourismusmagneten Stift Melk von P. Ludwig Wenzl, Leiter der dortigen Abteilung für Kultur und Tourismus. "Viele unserer Gäste kommen mit Vorstellungen aus Umberto Ecos Roman 'Der Name der Rose'. Meist ist die Frage gleich: Werden wir auch die Bibliothek sehen?'" An diesem "geheimnisumwobenen" Ort gehe es dann um Superlative. "Immer kommt dann: Was ist das älteste, wertvollste, größte Buch?", berichtete der im Vorjahr zum Priester geweihte Ordensmann aus Österreichs bekanntestem Barockkloster. Promis, Staatsgäste, Fotoshootings und Filmteams - wie erst kürzlich den ORF für das Neujahrskonzert 2023 - ziehe es in die rund 100.000 Bände umfassende Prachtbibliothek mit den Deckenfresken von Paul Troger.
Melk ist kein Disneyland
Da Stift Melk mit seinen 170 Angestellten vorrangig vom Tourismus lebt, widmet das Kloster den Führungen besondere Aufmerksamkeit. Man folge dabei einer Dramaturgie, erklärte Wenzl: Nach einem leichten Einstieg (Pforte, Prandtauer-Fassade und Prälatenhof) folge die allmähliche Steigerung (über die Kaiserstiege zu den Ausstellungen) hin zum Höhepunkt (Kirche und Bibliothek) sowie schließlich das "Fadeout" (Stiftsshop und Stiftspark). Dieser Aufbau ähnle zwar dem Erlebniskonzept von Disney, weise aber dennoch klare Unterschiede auf, betonte der Touristiker, Historiker und Theologe. "Einerseits blenden wir das Unangenehme nicht aus und erwähnen etwa, dass beim Stiftsbau auch Menschen gestorben sind. Andererseits ist uns Mönchen wichtig, den Gästen als Mehrwert unsere Spiritualität zu vermitteln."
Stift Melk sei ein seit 1089 durchgehend von Mönchen bewohntes Kloster und solle auch als ein solches erlebbar sein, betonte Wenzl. Konkret geschieht dies etwa durch die Möglichkeit, am Stundengebet in der Stiftskirche teilzunehmen. Mönche in ihrem Habit seien im Kloster sichtbar und mit den Mitarbeitenden der Kulturvermittlung in regem Kontakt, zudem wird das Klosterleben auch in Leihgaben an Ausstellungen sichtbar. Eine besondere Zusammenarbeit gibt es auch für die Schülerinnen und Schülern des Stiftsgymnasiums, an dem Wenzl wie auch mehrere der Patres als Lehrer tätig sind, sowie für Jugendliche im Rahmen der "Jungen Pastoral".
Neubeginn durch Rückbau
Über einen Balanceakt anderer Art berichtete P. Oliver Ruggenthaler, Guardian des Franziskanerklosters in Wien. In seiner früheren Zeit als Provinzial seines Ordens wurde 2020 nach langer Vorarbeit die Generalsanierung des historischen Klosters in der Salzburger Innenstadt zwischen Festspielhaus, Kloster St. Peter und Dombezirk in Angriff genommen und vergangenes Frühjahr vollendet. Im Zuge des Zwölf-Millionen-Euro-Projekts wurden bei laufendem Klosterbetrieb unter anderem der über Jahrzehnte hinweg verbaute Kreuzgang geöffnet, Böden aus dem 17. Jahrhundert restauriert, das Provinzialat für Österreich und Südtirol in zuvor als Garagen genutzten Räumen eingerichtet und ein Musikarchiv und eine Kapelle für die Brüder neu gebaut. Dabei wurden auch historische Schätze wie etwa ein mittelalterlicher Brunnen entdeckt.
Außer der Verhinderung eines Verfalls des Denkmals sei auch Ziel gewesen, sich durch den Rückbau des Klosters zum historischen Zustand von 1690 vom baulichen Erbe der NS-Geschichte - vorübergehend residierte hier die Gestapo, später die US-amerikanischen Besatzer und schließlich der ORF - zu verabschieden, erklärte P. Ruggenthaler, der dazu Bautagebücher und Baurechnungen vergangener Jahrhunderte studiert hatte. Herausfordernd sei weiters auch gewesen, die Armenfürsorge - die im Zentrum franziskanischer Spiritualität steht - während der Sanierung weiterzuführen, wozu zwischenzeitlich sogar auf der Straße eine Tafel für die Suppenküche errichtet wurde. Auch die Führungen von Schulklassen machten keine baubedingte Pause. Um die Mitbrüder in das Baugeschehen einzubinden - die meisten von ihnen waren mit Vorleistungen am Bau auch selbst aktiv beteiligt - gab es wöchentliche Bauberichte. Auszeichnungen wie der Salzburger Architekturpreis oder demnächst die Würdigung durch die Deutsche Bauzeitung deuten darauf, dass das gewagte Vorhaben mit der Verbindung von Alt und Neu gelungen ist.
Kunst als Türöffner
Auf den "Blick für das Schöne" beim Ordensgründer Johannes Bosco (1815-1888) kam abschließend Sr. Maria Maul von den Don Bosco Schwestern zu sprechen. In der Pädagogik des Jugendpatrons habe die ästhetische Dimension und der "Kontakt mit dem Guten und Schönen" eine wichtige Rolle gespielt, erklärte die Leiterin des Bereiches Bildung und Kultur der Diözese Linz. "Bei Don Bosco war Kunst nicht um der Kunst willen wichtig, sondern als Türöffner für die Vermittlung der Liebe zu Gott gegenüber Jugendlichen. Das Schlüsselwort seiner eng mit Spiritualität verwobenen Pädagogik war die Freude. Heiligkeit bestand bei ihm darin, fröhlich zu sein", so die Ordensfrau.
Entsprechend habe Don Bosco, der schon als Kind das Seiltanzen, Kunststücke und Zaubertricks beherrschte, später auch in seinen Jugendeinrichtungen die Musik, das Theater und das Feiern von Festen gepflegt. Schönheit sei nach dem Verständnis des Salesianer-Gründers die Vorahnung des Paradieses gewesen. Nach diesem Ideal gesucht habe er jedoch nicht nur in Kunstwerken, sondern auch in den Jugendlichen. "Don Bosco betrachtete alle jungen Menschen als wertvollen Schatz, den ihn Gott anvertraut hatte. Er war davon überzeugt, dass es in jedem Jugendlichen einen Punkt gibt, in dem er für das Gute zugänglich ist. Die Aufgabe des Erziehenden besteht vor allem darin, diesen zu finden", betonte Sr. Maul.
Wachsende Bedeutung
Erst kürzlich hat die Ordenskonferenz ihren Bereich Kultur und Dokumentation (früher: Referat für die Kulturgüter) aufgestockt. Bereichsleiterin Karin Mayer stellte am Kulturtag Irene Kubiska-Scharl als nunmehr neue Zuständige für den Fachbereich Bibliotheken vor, Iris Forster bleibt Ansprechperson für die Archive. Das insgesamt fünfköpfige Team sieht sich als Service- und Beratungsstelle für die Orden und Kulturgüter-Beauftragte sieht und fungiert als Schnittstelle und Partner für kirchliche, öffentliche und wissenschaftliche Einrichtungen fungiert. Es fördert zudem den Erfahrungsaustausch, die Projektkoordination, die Beratung und Weiterbildung sowie die Erforschung des kulturellen Erbes der Orden. Derzeit liegt der Schwerpunkt bei der Inventarisierung, Kulturgüterpflege und der Erschließung von Archiven, berichtete Mayer. Zeitgerecht zum Kulturtag erschien die neue Ausgabe der Fachzeitschrift "Mitteilungen zu den Kulturgütern der Orden" (MiKO).
Quelle: kathpress