Hilfswerk ICO setzte im Vorjahr 79 Projekte im Nahen Osten um
Rund 1,1 Millionen Euro hat das Linzer Hilfswerk "Initiative Christlicher Orient" (ICO) im vergangenen Jahr für Hilfsprojekte im Nahen Osten aufgewendet. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht 2023 hervor, den die ICO jetzt veröffentlicht hat. 79 Projekte wurden damit verwirklicht; 31 in Syrien (ca. 465.000 Euro), 24 im Libanon (ca. 390.000 Euro), 18 im Irak (ca. 156.000 Euro), 4 in Palästina (ca. 45.000 Euro) und 2 in der Türkei (ca. 28.000 Euro). Neben der Hilfe vor Ort ist die Information über den Nahen Osten und die Christinnen und Christen vor Ort die zweite Hauptaufgabe der ICO. Am 16./17. September lädt das Hilfswerk deshalb zu seiner traditionellen Jahrestagung nach Salzburg.
Die Tagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil steht unter dem Generalthema "Irak - Quo vadis?" Nachdem der chaldäisch-katholische Patriarch Kardinal Louis Sako seine Teilnahme aufgrund schwieriger politischer und innerkirchlicher Umstände im Irak kurzfristig absagen musste, wird nun der einzige christliche Minister in der Regierung der Autonomen Region Kurdistan, Ano Jahwar Abdoka, den Hauptvortrag halten und über die Situation der Christen im Irak berichten, wie die ICO am Donnerstag mitteilte. Abdoka ist auch Präsident der Christlichen Allianz, ein Zusammenschluss verschiedener christlicher Parteien und Organisationen.
Eröffnet wird die Tagung vom Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, der 2023 mit einer ICO-Delegation den Irak besuchte. Weitere Vortragende sind der deutsche Irak-Experte David Müller, P. Jens Petzold, der als Mönch in der nordirakischen Stadt Sulaimaniyya lebt und das örtliche Marienkloster revitalisiert hat, sowie der österreichische Orient-Experte Thomas Schmidinger, der derzeit in der nordirakischen Stadt Erbil forscht und lehrt. Weiters werden der chaldäische Pfarrer Samir Youssif und Jugendliche vom Alltag vor Ort im Irak berichten. Mit dabei sind auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der ein Grußwort sprechen wird, sowie Weihbischof Hansjörg Hofer.
Vielfältige Hilfe im Nahen Osten
23 Prozent der ICO-Hilfsmittel flossen 2023 in Schul- und Bildungsprojekte, 18 Prozent in Winternothilfe, 14 Prozent in Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben vom Februar 2023 in Syrien und der Türkei, 13 Prozent in Nahrungsmittelhilfe, der Rest in verschiedene weitere Sozialprojekte. Die Hilfe kommt - je nach Projekt - Christen und/oder Muslimen zugute. Die Projektpartner sind stets christliche Einrichtungen oder Kirchen.
Im Libanon unterstützte die "Initiative Christlicher Orient" im Vorjahr vor allem kirchliche Privatschulen. Sie zahlte das Schulgeld für die Kinder verarmter Familien oder finanzierte Heizöl, damit die Kinder im Winter in der Schule nicht frieren müssen. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf Nahrungsmittelhilfe. Der Libanon steckt in der größten finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Krise seiner Geschichte. 80 Prozent der Libanesen leben bereits unter der Armutsgrenze. Tendenz steigend.
In bitterer Armut leben auch 90 Prozent der Menschen in Syrien. Ein Schwerpunkt der ICO war hier 2023 die Hilfe für die Menschen in der vom Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogenen Stadt Aleppo, die dann auch noch vom Erdbeben im Februar 2023 heimgesucht wurde. Wichtigster ICO-Partner in der Stadt war die von den Franziskanern geführte katholische Pfarre St. Franziskus. Die Räume der Pfarre wurden in den Tagen und Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe, die tausende Menschenleben forderte, zum Zufluchtsort für hunderte Menschen. Versorgt wurden diese durch eine mit Unterstützung der ICO gegründete Sozialküche der Pfarre.
Im Irak wurde 2023 beispielsweise in abgelegenen Dörfern in der bergigen Region im Norden des Landes Heizöl an die verarmte Bevölkerung geliefert. Weiters wurden ca. 350 Familien in einem Camp für jesidische Vertriebene ebenfalls mit Heizöl versorgt. In der Türkei beteiligte sich die ICO an der Errichtung von behelfsmäßigen Unterkünften für Erdbebenopfer in der Stadt Malatya.
Glettler: Auf Jesiden nicht vergessen
Das Grußwort im Jahresbericht hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler verfasst, der im Sommer 2023 mit einer ICO-Delegation den Nordirak besuchte. Er schreibt von vielen herzlichen Begegnungen und dem beeindruckenden Glaubenszeugnis der irakischen Christen. Zugleich sei es ernüchternd gewesen, über die schwierige Situation der Minderheiten vor Ort, egal ob Christen oder etwa Jesiden, zu erfahren. Sie hätten ein schweres Schicksal zu tragen. Viele würden keine adäquaten Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten vor Ort vorfinden und deshalb auswandern. Damit vollziehe sich schleichend ein "enormer Kulturverlust und eine geistige Verarmung der Region, wo doch das Christentum eine nahezu 2.000-jährige Geschichte hat". Vor allem werde der Verlust im Bildungsbereich und bei der Bewältigung der vielen sozialen Aufgaben zu spüren sein, warnt Glettler.
Nachhaltig beeindruckt habe ihn der Besuch im Flüchtlingscamp Dawidiya, in dem noch 3.500 Jesiden untergebracht sind: "Viele von ihnen, vor allem Frauen und Kinder, sind schwer traumatisiert." Leider fehle es an internationaler Unterstützung. Er sei deshalb der ICO dankbar, "dass diese besondere Minderheit bei den diversen Hilfsinitiativen nicht vergessen wird", so der Innsbrucker Bischof.
ICO-Obmann Slawomir Dadas resümiert in seinem Vorwort, dass die Lebensbedingungen für die Menschen im Nahen Osten immer schwieriger würden: "Ob es dabei um Syrien geht, das schon seit 13 Jahren in bewaffnete Konflikte verwickelt ist, oder um den Nordirak, wo seit 2017 der Versuch einer guten Politik für alle immer wieder gestört wird, oder um den Libanon, der sich seit der Flüchtlingswelle 2015 und der Wirtschaftskrise nicht erholen kann: In allen diesen Ländern leben die Menschen in einem Ausnahmezustand." Und seit Oktober 2023 erlebe man diese Situation in einer extremen Form in den palästinensischen Gebieten, "wo die Menschen jeden Tag um ihr Leben bangen".
Er sei aufrichtig dankbar für die Unterstützung, die die ICO 2023 erfahren habe und bitte zugleich die Österreicherinnen und Österreicher, die Menschen im Orient auch weiterhin nicht im Stich zu lassen.
(Website "Initiative Christlicher Orient": www.christlicher-orient.at)
Quelle: kathpress