
Weltfrauentag: Caritas und AK fordern vehemente Gleichstellungspolitik
Alte Denkmuster beschneiden weltweit und auch in Österreich die Rechte von Frauen: Hier müsse eine "rote Linie" gezogen werden, forderten anlässlich des Weltfrauentags die Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler und Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Dringend nötig sei eine "vehemente Gleichstellungspolitik" mit konkreten, gesetzlich verankerten Maßnahmen. In Österreich sind laut Caritas und Arbeiterkammer Frauen besonders von Einkommensungleichheit, unbezahlter Care-Arbeit und Altersarmut betroffen. So liegt der Gender-Pay-Gap bei rund 18 Prozent, 56 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, und Frauenpensionen sind im Schnitt um ein Drittel niedriger als die von Männern.
Die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit, Lohndiskriminierung und mangelhafte Kinderbetreuung führe zu strukturellen Benachteiligungen von Frauen, so Tödtling-Musenbichler, die zudem "absurde Ideen" wie die sogenannten "Herdprämie" scharf kritisierte. Es gelte darum, verstärkt die Rechte von Frauen konsequent zu schützen, so die Caritas-Präsidentin.
Bis heute sei die strukturelle Benachteiligung von Frauen tief in Politik wie Gesellschaft verankert, so Tödtling-Musenbichler und verwies auf die Realität in Österreich: "Frauen tragen das höchste Armutsrisiko - 60 Prozent der Hilfesuchenden in den Caritas-Sozialberatungsstellen sind Frauen. Alleinerziehende, Working-Poor und Mindestpensionistinnen stehen tagtäglich vor existenziellen Krisen." Betroffene könnten sich weder ausreichend Lebensmittel für sich oder ihre Kinder noch die Miete leisten.
"Armut ist kein Schicksal, Armut ist die Folge ungerechter Strukturen", erklärte Tödtling-Musenbichler. In den Caritas-Sozialberatungsstellen seien zwei Drittel der Hilfesuchenden Frauen, darunter viele Alleinerziehende oder Mindestpensionistinnen. Die Folgen von Geschlechterungleichheit zeigen sich laut der Caritas-Präsidentin auch in der Pension: "Wir erleben diese Ungerechtigkeit hautnah: Frauen, die ihr Leben lang gearbeitet haben - oft in schlecht bezahlten Berufen oder unbezahlter Care-Arbeit - stehen als Mindestpensionistinnen in unseren Lebensmittelausgabestellen an."
Ein zentrales Problem sei vorwiegend die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit: "Kinderbetreuung, Haushalt und Altenpflege sind noch immer Privatsache der Frauen - unbezahlte Arbeit, die gesellschaftlich nicht einmal als Leistung anerkannt wird", betonte Tödtling-Musenbichler. Diese Situation führe zu einem erhöhten Armutsrisiko im Alter, da Frauen weniger verdienen, weniger erben und entsprechend niedrigere Pensionen erhalten würden.
Forderungen der Caritas: Halbe-Halbe und flächendeckende Kinderbetreuung
Als Lösung schlug Tödtling-Musenbichler "echte Halbe-Halbe" und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine faire Aufteilung der Sorgearbeit vor. Notwendig sei zudem ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag sowie eine bessere Bezahlung und mehr Lohntransparenz in frauendominierten Berufen, ergänzte Anderl.
Eine "vehemente Gleichstellungspolitik" ist laut der Caritas-Präsidentin daher "unumgänglich, um den strukturellen Benachteiligungen von Frauen endlich entgegenzuwirken." Schon seit 30 Jahren werde die Gleichstellung der Geschlechter in Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit gefordert, die Realität sei bisher aber von einer ungleichen Verteilung geprägt die Tödtling-Musenbichler als "ungerecht für Frauen, Männer und Gesellschaft und völlig unwirtschaftlich für unsere Wirtschaft" bezeichnete.
Arbeiterkammer: Kritik an Lohnungleichheit
Politischer Wille und umfassende Reformen seien nötig, um Armut zu bekämpfen und die Lebensrealitäten von Frauen zu verbessern, betonten Anderl und Tödtling-Musenbichler unisono. Renate Anderl hob in ihrer Stellungnahme die weit verbreitete Lohnungleichheit hervor: "In fast jeder Gemeinde verdienen Frauen weniger als Männer - das ist flächendeckende Ungerechtigkeit." Die hohe Teilzeitquote bei Frauen - mit 56 Prozent im Vergleich zu lediglich 10 Prozent bei Männern - führe zu ökonomischer Abhängigkeit.
"Wir fordern, dass der Mehrarbeitszuschlag sofort, ab der ersten Stunde fällig wird und auf 50 Prozent angehoben wird. Betriebe, die nur Teilzeit anbieten, müssen die Teilzeit auch einhalten oder diesen Zuschlag zahlen", erklärte Anderl. Ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag sowie der Ausbau der Ganztagsschulen seien ebenfalls notwendig, um Frauen echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. "Erst dann kann ich als Frau entscheiden, ob ich länger daheim bleiben oder zurück in den Job möchte", so Anderl.
Nötig sei auch eine gesetzlich vorgeschriebene Lohntransparenz, waren sich Tödtling-Musenbichler und Anderl einig. Beide Präsidentinnen begrüßten zudem erste Impulse im aktuellen Regierungsprogramm von ÖVP-SPÖ-NEOS, das den Ausbau von Ganztagsschulen und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr vorsieht. Der Weltfrauentag müsse "endlich ein echter Feiertag für Frauen werden", so Anderl abschließend.
Quelle: kathpress