
Wien: Tagung im Zeichen Dankes an Opferschutzanwältin Klasnic eröffnet
Ganz im Zeichen des Dankes an die scheidende Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic und einem Rückblick auf die 15 Jahre seit der Einsetzung der von ihr geleiteten Unabhängigen Opferschutzkommission wurde am Dienstag im Wiener Erzbischöflichen Palais eine Tagung über Missbrauchsprävention und Kinderschutz im kirchlichen Bereich eröffnet. Die Kommission stelle bis heute einen wichtigen "Resonanzraum" dar, "der Unerhörtes hörbar macht" und den es auch in Zukunft brauchen wird, unterstrich der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, in seinen Begrüßungsworten. In ihrem Wirken als Opferschutzanwältin sei die frühere steirische Landeshauptfrau gleichermaßen "Leitstern und Mahnung", im Bemühen um Prävention und einen würdevollen Umgang mit den Opfern.
Auch der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, der emeritierte Salzburger Erzabt Korbinian Birnbacher, würdigte die Tätigkeit der Opferschutzkommission und speziell Waltraud Klasnics: "Du hast deinen Namen und dein Gesicht hergegeben und warst ein verlässliches Gegenüber für Menschen, die dringend Hilfe brauchten". Zugleich betonte Birnbacher das gute Miteinander von Bischofskonferenz und Ordenskonferenz im Umgang mit dem Thema Missbrauch. Dies sei keineswegs selbstverständlich und viele Länder würden Österreich um dieses Miteinander beneiden. Der Auftrag der Prävention bleibe jedenfalls auch weiterhin bestehen: "Der Weg darf nie wieder jener des Schutzes der Institution sein, sondern der Schutz des Menschen", so Birnbacher.
Die hochkarätig besetzte Tagung steht unter dem Titel "Die Wahrheit wird euch frei machen" und dauert noch bis Dienstagabend. Anwesend sind neben Erzbischof Lackner und dem emeritierten Erzabt Birnbacher u.a. die Bischöfe Benno Elbs (Feldkirch), Hermann Glettler (Innsbruck), Weihbischof Hansjörg Hofer (Salzburg), der emeritierte Bischof Klaus Küng (St. Pölten), Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka, die Generalsekretärin der Ordenskonferenz, Sr. Christine Rod, sowie als einer der Hauptreferenten der internationale kirchliche Missbrauchsexperte P. Hans Zollner. Am Nachmittag wird außerdem der frühere Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, erwartet, der 2010 Waltraud Klasnic ersucht hatte, die Aufgabe als Unabhängige Opferschutzanwältin anzunehmen.
"Von der Schockstarre in engagiertes Handeln"
Einen Rückblick auf die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre bot der Feldkircher Bischof Benno Elbs. Die Betroffenheit sei groß gewesen, erinnerte sich der Bischof, als vor 15 Jahren der Missbrauch im kirchlichen Kontext erstmals breit öffentlich wurde. Es hätten zunächst Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit geherrscht, "aber wir sind ziemlich schnell aus der Schockstarre in ein engagiertes Handeln gekommen" erinnerte sich Elbs. Der gewählte Weg - "vom Wegschauen zu einer Haltung der Null-Toleranz und zum aktiven Hinschauen" - sei konsequent gegangen worden und müsse auch in Zukunft weiter gegangen werden. Bewährt habe sich der "Blick von außen": Unabhängigkeit sei notwendig für eine kritische Aufarbeitung, so Elbs. So sei auch in den Blick gekommen, dass das Thema weit über den kirchlichen Kontext hinausreiche - was u.a. in Form einer parlamentarischen Enquete und der Kooperation mit vielen auch staatlichen Stellen zum Ausdruck gekommen sei.
Caroline List folgt Waltraud Klasnic nach
Nach 15 Jahren wird Waltraud Klasnic mit Jahresende ihre Aufgabe als Opferschutzanwältin abgeben. Auf einstimmigen Vorschlag der "Unabhängigen Opferschutzkommission" wird Caroline List ab 2026 die "Unabhängige Opferschutzanwaltschaft" leiten. Ihre Beauftragung ist durch die Österreichische Bischofskonferenz im Einvernehmen mit der Österreichischen Ordenskonferenz erfolgt. Caroline List, im Hauptberuf Präsidentin des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, ist seit 15 Jahren Mitglied der "Unabhängigen Opferschutzkommission" und wird künftig dort den Vorsitz führen.
3.492 entschiedene Fälle
Laut der von der Bischofskonferenz betriebenen Internetseite www.ombudsstellen.at sind seit 2010 bis heuer Ende Juni 3.651 Meldungen gemäß Verfahren der kirchlichen Rahmenordnung gegen Missbrauch und Gewalt eingegangen. Dabei handelt es sich zu rund zwei Drittel um Männer (62,4 Prozent).
Davon hat die Unabhängige Opferschutzkommission (UOK) in 3.492 Fällen entschieden. Dabei entscheidet die Kommission nach einem selbst beschlossenen Reglement über die Zahlung einer Finanzhilfe - je nach Schwere der Vorfälle - in vier Kategorien: 5.000, 15.000, 25.000 und in besonders schweren Fällen auch über 25.000 Euro. Gegebenenfalls werden zudem Therapiestunden finanziert. Bislang wurden in Summe 37,7 Mio. Euro zuerkannt. Davon 29,8 Mio. Euro als Finanzhilfen und 7,9 Mio. Euro für Therapien. Die Kirche hat alle Entscheidungen der UOK umgesetzt. In 278 Fällen wurden keine Leistungen zuerkannt.
Die meisten Vorfälle waren zum Zeitpunkt der Meldung rechtlich verjährt und beziehen sich überwiegend auf die Zeit vor 1980 (81,2 Prozent), die Zeit zwischen 1980 und 1999 betreffen 16,5 Prozent und auf die Zeit ab dem Jahr 2000 entfallen 2,3 Prozent. Die Verjährungsfristen spielen aber für die kirchliche Aufarbeitung bzw. die Hilfszahlungen keine Rolle.
Hauptsächlich Fälle in Heimen
Die überwiegende Mehrheit der Meldungen bezieht sich auf Heime und Betreuungseinrichtungen für Kranke oder Menschen mit Behinderung (61,3 Prozent). Auf den schulischen Bereich bzw. zugehörige Internate oder Kindergärten entfallen weitere 21,6 Prozent. Die Meldungen aus pfarrlichen Zusammenhängen machen 11,7 Prozent aus, jene aus Klöstern und Orden 1,9 Prozent (sonstige Zusammenhänge 3,5 Prozent).
Fast die Hälfte der Betroffenen (47 Prozent) meldete Vorfälle zu sexueller Gewalt. Bei allen anderen Vorfällen ging es um Formen von körperlicher bzw. psychischer Gewalt. Zumeist treten die Gewaltformen gemischt auf (Mehrfachnennung möglich). Psychische Gewalt wird am häufigsten genannt (82 Prozent), knapp gefolgt von körperlicher Gewalt (80 Prozent).
Zum Zeitpunkt der Vorfälle waren die Betroffenen überwiegend 6 bis12 Jahre alt (63,3 Prozent). Die Betroffenen wurden zu 72 Prozent vor 1966 geboren. Der Altersdurchschnitt zum Zeitpunkt der Meldung liegt über die Jahre hinweg zwischen 52 und 60 Jahren.
Quelle: kathpress