
Potz: Kopftuchverbot setzt Staat-Religion-Beziehung unter Druck
Ablehnend hat sich der Kirchenrechtler Richard Potz zum geplanten Kopftuchverbot an Schulen geäußert. Den Gesetzesentwurf, dessen Begutachtung in der vergangenen Woche zu Ende ging, sehe er in seiner aktuellen Form als gescheitert an, schrieb er in einem Gastkommentar der "Furche" (30. Oktober). Der Vorschlag sollte lieber ad acta gelegt oder zumindest umfassend überarbeitet werden, um sowohl verfassungsrechtliche Bedenken als auch gesellschaftliche Spannungen zu berücksichtigen, so der Experte.
Verfassungsrechtlich verwies der emeritierte Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von 2020, der ein ähnliches Gesetz aus Gründen der Religionsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes abgelehnt hatte. Der aktuelle Entwurf ignoriere wesentliche Punkte des Urteils, etwa dass ein selektives Verbot für muslimische Mädchen diskriminierend wirken und deren Zugang zu Bildung erschweren könne.
Besonders problematisch sei die politische Symbolwirkung des Gesetzes. Potz bezeichnete die Initiative als Ausdruck von Kulturkampfrhetorik, die den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang ausblende. Damit gerate das österreichische System der Kooperation zwischen Staat und Religion unter Druck, da die oft herangezogene Vorstellung einer strikten Trennung von Staat und Kirche in Österreich nicht existiere. Eine solche Symbolpolitik könnte langfristig den rechtlichen Rahmen und das Zusammenwirken von Staat und Religionsgemeinschaften verändern, warnte der Experte.
Kritik übte Potz auch an der inhaltlichen Formulierung des Entwurfs. So wird der Begriff "ehrkulturelle Verhaltenspflicht" verwendet, um religiöse Vorgaben zu umgehen. Dies könne dem Gesetzgeber eine unzulässige Deutungshoheit über das Verhalten der Schülerinnen einräumen. Auch das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung werde im Entwurf nur unzureichend berücksichtigt, obwohl dieses durch die Europäische Menschenrechtskonvention und das österreichische Verfassungsrecht geschützt sei.
Zudem bemängelte Potz auch eine mangelnde Praxistauglichkeit des Gesetzes. Die über 600 eingegangenen Stellungnahmen aus der Begutachtungsphase hätten vielfach Zweifel an der Zielgerichtetheit und Umsetzbarkeit des Verbots geäußert. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordere die Einbindung der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) und ihrer Pädagoginnen, um Druck auf die Schülerinnen zu verhindern.
Quelle: kathpress