Franziskus in Kontinuität mit Johannes Paul II.
Die Integration und seelsorgliche Begleitung von Menschen in Lebensssituationen, die nicht zur Gänze mit der kirchlichen Norm übereinstimmen, ist für die Kirche eine Pflicht. Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Vortrag bei einer Tagung des "Internationalen Theologischen Instituts" (ITI) in Trumau (Niederösterreich) betont. Schönborn erläuterte am Samstagnachmittag in seinen Ausführungen das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" und zeigte u.a. die Kontinuität zwischen Papst Franziskus und seinem Vorvorgänger Papst Johannes Paul II. auf. Papst Franziskus sage beispielsweise über die Integration wiederverheirateter Geschiedener im Prinzip nichts anderes als auch schon Papst Johannes Paul II., so Schönborn. Er zitierte in diesem Zusammenhang auch aus dem Apostolischen Schreiben "Familiaris consortio" aus dem Jahr 1981. Auch Menschen in "irregulären" Lebenssituatinen gehörten zur Kirche, so der Kardinal.
Der Papst wolle vor allem auch aufzeigen, dass alle Menschen der Barmherzigkeit Gottes bedürfen. Auch eine bewährte Ehe, bei der alles "stimmt", sei unterwegs. Sie müsse stetig wachsen, kenne Sünde und Versagen und brauche Versöhnung und Neubeginn bis ins hohe Alter.
Der Kardinal rief weiters zu mehr Einfühlungsvermögen im kirchlichen Sprachgebrauch auf. In der kirchlichen Rede über Ehe und Familie bestehe oft eine Tendenz, Menschen in oder aus sogenannten "irregulären" Situation abzuwerten. Das sei für die Betroffenen sehr schmerzhaft und für die Kirche eine Herausforderung, ihre Sprache zu überdenken.
Papst Franzislus begegne auch solchen Menschen mit großem Respekt. Er wolle alle ansprechen, nicht zuerst urteilen, sondern die Menschen in die Kirche einladen und seelsorglich begleiten. Der Papst rede damit aber keinem Relativismus das Wort, stellte Schönborn einmal mehr klar.
Franziskus benenne auch absolute No-Gos, wie der Kardinal ausführte. So seien beispielsweise die Aussagen des Papstes zur Homoehe eindeutig. Genauso rücke er auch keinen Milimeter von der kirchlichen Lehre über die Ehe ab. Papst Franziskus sei überzeugt, dass die christliche Sicht von Ehe und Familie auch heute eine ungebrochene Anziehungskraft hat.
Einen herausragenden Stellenwert habe für den Papst zugleich das gersönliche, gebildete und verantwortete Gewissen, wenn er etwa wörtlich schreibe: "Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen" Er könne gewisse Ängte verstehen, so Schönborn, das dies in einen Subjektivismus abgleiten könne. Der Papst habe aber großes Vertrauen in das Gewissen der Gläubigen.
Hinsichtlich der Fußnote, in der Papst Franziskus betont, dass bei der Begleitung und Integration von Menschen in irregulären Situationen in einigen Fällen auch die Sakramente eine Hilfe sein können, verwies Schönborn einmal mehr auf den Wiener Weg der fünf Aufmerksamkeiten.
Der Wiener Erzbischof warnte zugleich aber davor, das Schreiben des Papstes auf jene kurze Fußnote und die Frage des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene und Menschen in anderen irregulären Situationen zu reduzieren.Das gesamte Dokument müsse in den Blick genommen werden.
Schönborn rief die Verantwortlichen des ITI auf, das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" in den Lehrplan zu integrieren, es aufmerksam zu studieren und zu diskutieren. Nachsatz: "Papst Franziskus wäre der letzte, der darüber keine Diskussion wollte."
Familie in postkommunistischen Staaten
Kardinal Schönborn war der Hauptreferent bei einer internationalen theologischen Familientagung in Trumau. Zu der zweitägigen Konferenz waren Bischöfe und Theologen aus zehn Ländern und vier Kontinenten ins Schloss Trumau bei Baden gekommen. Kardinal Christoph Schönborn ist Großkanzler des ITI.
Unter den Referenten war u.a. auch der Pariser griechisch-katholische Bischof Boris Gudziak, der zugleich auch Außenamtsleiter der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche ist. Er betonte im "Kathpress"-Interview am Rande der Tagung, das Dokument "Amoris laetitia" gebe Hoffnung, es sei in der Tat eine Stärkung und Ermutigung für die Familien. Es werde deutlich, wie sehr Papst Franziskus in seinem ganzen Wirken auf den Heiligen Geist vertraue; "in der Kirche wie auch in den Familien".
Eine besonders wertvolle Hilfe sei das Dokument beispielsweise für die Arbeit der Kirche in den Ländern der früheren Sowjetunion. In der kommunistischen Zeit sei die traditionelle christliche Familie zerstört worden. Zwischenmenschliche Beziehungen seien von Angst und Misstrauen geprägt. Die Krise der Familie sei deshalb vor allem auch ein anthropologische Krise. Darunter würden die postsowjetischen Länder bis heute leiden. So liege etwa in der Ukraine die Scheidungsrate bei rund 50 Prozent, gab der Bischof zu bedenken.
Weitere Referenten bei der Tagung waren u.a. der Bischof von Muranga (Kenia) James Wainaina Kungu, die Ratzinger-Schülerkreismitglieder Michaela Hastetter (Heiligenkreuz) und em.Prof. P. Vincent Twomey (Irland), die Theologin Jocelyne Khoueiry (Beirut), die Psychologen/Psychoanalytiker Gintautas Vaitoska (Vilnius), Paul Vitz (Arlington) und Evelyn Vitz (New York) sowie der Judaist und Theologe Bernhard Dolna (Wien).
Quelle: kathpress