Grazer Theologe: Christliche Tradition nicht "musealisieren"
Theologie auf der Höhe der Zeit darf die christliche Tradition nicht "musealisieren", nicht nur "etwas Übersetzung des Alten" betreiben, sondern sie muss das Überlieferte und dessen Bedeutung für heute wirklich neu entdecken. Das hat der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher in der von ihm redaktionell betreuten theologischen Feuilleton-Website feinschwarz.net betont.
In seinen Überlegungen unter dem Titel "Die Faszination theologischer Forschung" sprach er sich für eine differenzierte Sicht der Tradition aus. Christliche Theologinnen und Theologen seien seien zwar "der Offenbarungsgeschichte Gottes mit dem Volk verpflichtet", die auch nach Jesus Christus als ihrem Höhepunkt "nicht einfach aufgehört hat". Zugleich genüge es nicht, den Glauben "als Behauptung in die Welt zu stellen", dies bringe heute rein gar nichts mehr, ist sich der häufig mit Säkularisierungsphänomenen befasste Bucher bewusst.
Dekontextualisierte theologische Traditionsstatements, die letztlich dazu auffordern, sich erst einmal in vergangene Zeiten zurückzubeamen, um Sinn und Bedeutung der Tradition entdecken zu können, sind ebenso anachronistisch wie wirkungslos.
Die Tradition dürfe derart nicht um ihre "produktive Kreativität" gebracht werden. Diese sei erfahrbar, wenn die Aktualisierung in den je aktuellen Zeithorizont überzeugend gelinge, schrieb der Theologe. Bucher erinnerte an den zum Katholizismus konvertierten englischer Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) der Tradition in einem engen Kontext mit Demokratie sah: Demokratie heiße niemanden ausschließen, Tradition bedeutet darüber hinaus, niemanden ausschließen, nur weil er tot ist, so der Schöpfer der Pater-Brown-Romane. Bucher ergänzte:
Tradition als Demokratie heißt dann aber auch: Niemanden ausschließen, weil er heute lebt, wer immer er auch ist.
"Verbot des Zweifels" prägt Ideologien
Theologische Forschung ist nach den Worten des Pastoraltheologen dann faszinierend, "wenn sie unsere großen Traditionen den ungebändigten, ungezähmten, undomestizierten Realitäten unserer Gegenwart aussetzt, dabei vor nichts und niemandem Angst hat, und so dieser Tradition vertraut, aber auch an diese Gegenwart als Zeit Gottes glaubt. Und dann schaut, was passiert."
Erkenntnisgewissheit und Erkenntniszweifel würden einander nicht widersprechen, sondern sich gegenseitig bedingen, so Bucher weiter. Demgegenüber hätten auf Ideologie basierende Systeme damit ihre Probleme und meinten, "Stabilität durch das Verbot des Zweifels herstellen zu können" - laut Bucher ist dies meist nur die letzte Phase vor ihrem Verschwinden. (Link: www.feinschwarz.net)
Quelle: kathpress