
Stichwort: Ausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit
Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit bemüht sich seit 1956 um gute Beziehungen zwischen den beiden Religionen. Kardinal Franz König gründete den Ausschuss auf Anregung von Prof. Kurt Schubert, den Doyen der österreichischen Judaistik. Der Ausschuss trug nach der Schoah wesentlich dazu bei, dass ein neues Verhältnis zwischen Judentum und Christentum in Österreich möglich wurde. Die Arbeitsbereiche sind Dialog, Bildung, öffentliche Kommunikation und Wissenschaft.
Der Vorstand muss laut Statut zu je einem Drittel jüdisch, evangelisch und katholisch besetzt sein. Präsident des Koordinierungsausschusses ist derzeit der katholische Theologe Prof. Martin Jäggle. Dechant Ferenc Simon und die Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, sind die weiteren katholischen Vertreter im Vorstand. Von jüdischer Seite gehören Vizepräsident Willy Weisz sowie die Historiker Awi Blumenfeld und Mitchel Ash dem Vorstand an. Die evangelischen Vertreter sind Vizepräsidentin Margit Leuthold, Ruth Schelander-Glaser und der evangelische Theologe Stefan Fleischner-Janits. Mit der Aufgabe des Geschäftsführers wurde 2020 der jüdische Religionswissenschaftler Yuval Katz betraut.
In einem aktuellen Interview mit dem jüdischen Magazin für Politik und Kultur "Nu" haben Präsident Jäggle und Vizepräsidenten Weisz gemeinsam zur Arbeit des Koordinierungsausschusses Stellung genommen. "Als Christen wie auch als Theologen sind wir auf den Dialog mit dem Judentum angewiesen. Wenn uns Juden und Jüdinnen nicht auf die Sprünge helfen, ist eine Erneuerung der Kirche nicht möglich", plädierte Jäggle vehement für noch mehr Austausch zwischen den beiden Religionen. Es gehe darum aufzuzeigen, dass jüdisches Leben "Teil einer sehr großen und einer sehr traurigen Geschichte" sei. Allerdings sei es zugleich ein Problem, wenn das Judentum nur über die Schoah wahrgenommen werde.
Weisz betonte die notwendige Offenheit, um einander zu verstehen. Das lebenslange Lernen, das jeweils aus der Thora und der Bibel abgeleitet werden könne, sei in der Gesellschaft aktueller denn je. "Man muss dabei die Unterschiede auch klar benennen", so Jäggle und Weisz unisono. Denn nur unter der Prämisse "Wir sind anders, aber gleichwertig" könne es echten Dialog und aufrichtige Verständigung geben. Gerade auch innerhalb der katholischen Kirche hat sich diesbezüglich vieles verändert, unterstrich Jäggle.
Jüdisches Leben sichern
Wie Weisz und Jäggle betonten, bedeute christlich-jüdische Zusammenarbeit auch, jüdisches Leben zu sichern. So arbeite der Ausschuss daran, die Vielseitigkeit und Lebendigkeit jüdischer Alltagskultur aufzuzeigen. Hier sei Beharrlichkeit erforderlich. Von jüdischer Seite herrschte ursprünglich große Skepsis, ja sogar Misstrauen auch Weisz gegenüber vor, wenn dieser katholische Lehrer in die Synagoge mitgenommen habe. Das sei aber im Laufe der Zeit besser geworden. Es müsse sich zudem ändern, dass bei bestimmten Themen oft über und nicht mit Juden gesprochen werde, waren sich Weisz und Jäggle einig.
Von Beginn an unterstützte der Koordinierungsausschuss auch das Schul- und Jugendprojekt "Likrat". Mit diesem setzt die Israelitische Kultusgemeinde Wien seit 2015 ein Zeichen für Verständigung und für den Abbau von Vorurteilen. Junge Jüdinnen und Juden besuchen Schulklassen in ganz Österreich und treten in Dialog mit Jugendlichen ihres Alters, die einen anderen ethnischen bzw. religiösen Hintergrund haben. "Likrat" heißt auf Deutsch "auf jemanden zugehen". 2021 wurde die Initiative mit dem Leon-Zelman-Preis des Jewish Welcome Service ausgezeichnet.
In vielen Fällen agiert der Koordinierungsausschuss nicht nur als Initiator, sondern auch als Türöffner und Vernetzer. So wurde das "Café Abraham" auf Initiative des Ausschusses von dessen langjähriger Geschäftsführerin Sarah Egger ins Leben gerufen und wird finanziell unterstützt. Das" Café Abraham" ist eine Gruppe von Studierenden der Judaistik, katholischen und evangelischen Theologie/Religionspädagogik sowie der islamisch-theologischen Studien/Religionspädagogik, die sich u.a. für interdisziplinäre Textarbeit interessieren.
Dass nun selbstverständlich auch koscheres Essen in Wiener Spitälern angeboten wird, ist ebenfalls auf den Einsatz des Koordinierungsausschusses zurückzuführen, zudem ist Willi Weisz in der jüdischen Patientenbetreuung und Seelsorge im AKH tätig. Auch das Gedenken an die "Wiener Gesera" oder die regelmäßigen Gedenkfeiern an die Novemberpogrome gäbe es nicht ohne das stetige ehrenamtliche Engagement vieler Christen und Christinnen sowie Juden und Jüdinnen.
Der Ausschuss ist zudem auch im Kampf gegen Antisemitismus aktiv, als Mitglied des Forums gegen Antisemitismus und als Organisation, die in die Entwicklung von Strategien gegen Antisemitismus eingebunden war.
"Der Glaube Jesu verbindet uns, der Glaube an Jesus trennt uns." Diese Aussage des deutsch-israelischen Religionswissenschaftlers und Journalisten Schalom Ben-Gurin (1913-1999) beschreibt die Situation der christlich-jüdischen Beziehungen laut Jäggle perfekt. Denn es gebe tatsächlich ein Problem: Manche seien "so semitophil, dass sie Juden umarmen und ihnen dabei die Luft zum Atmen nehmen; andere gerieren sich als so judenfreundlich, kommen aber mit einer heftigen antijüdischen, antisemitischen Israelkritik daher und sehen diese Diskrepanz nicht." Das sei auch Thema im Ausschuss, klarer Konsens innerhalb des Vorstandes sei die grundsätzliche Solidarität mit jüdischen Gemeinden.
(Infos: https://www.christenundjuden.org/)
Quelle: kathpress