
Katholische Sozialakademie: Licht und Schatten im Regierungsprogramm
Chancen für mehr gesellschaftliche Teilhabe, zugleich aber auch erhebliche Defizite sieht die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) im Regierungsprogramm der neuen Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS. Dass das Programm in vielen Bereichen offen formuliert sei, biete grundsätzlich die Möglichkeit einer stärkeren Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure und externer Expertise in den politischen Entscheidungsprozess, heißt es in einer am Samstag an Kathpress übermittelten Stellungnahme. Gleichzeitig fehle es jedoch am klaren Bekenntnis zur Förderung partizipativer Prozesse, und die Finanzierung zentraler Punkte bleibe unklar.
Das aktuelle Programm sei erkennbar unter hohem Zeitdruck entstanden, schreibt die Katholische Sozialakademie. Die Themenaufstellung sei breit, aber wenig priorisiert. Einerseits werde die Notwendigkeit von politischen Kompromissen anerkannt, andererseits bleibe unklar, welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen.
Besonders im Bereich der Partizipation sieht die ksoe ungenutztes Potenzial. Die Offenheit vieler Programmpunkte könnte gezielt genutzt werden, um Expertenstimmen aus Wissenschaft, NGOs und Interessensvertretungen in den politischen Prozess einzubinden. Dies könnte zu praxistauglicheren Lösungen führen und die demokratische Legitimation politischer Entscheidungen stärken. Im Regierungsprogramm selbst fänden sich jedoch keine grundsätzlichen Hinweise auf eine solche Herangehensweise, sondern nur in vereinzelten Bereichen wie etwa der Digitalisierung mit dem geplanten "GovTech-Campus".
Bei einigen zentralen Themen habe die Regierung eindeutig Stellung bezogen, heißt es würdigend. Dies betreffe insbesondere den Schutz und die Stärkung der Demokratie und Menschenrechte, das Bekenntnis zur EU zur UN-Behindertenrechtskonvention, zur Sozialpartnerschaft und zur Unterstützung der Ukraine. Auch der Einsatz für verfolgte Minderheiten sowie für humanitäre Hilfe und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit wird positiv erwähnt, sowie die Selbstverpflichtung Österreichs als neutraler Staat zur internationalen Friedensarbeit.
Absichten statt Strategien und Finanzierung
Bei anderen Schlüsselbereichen ortet die ksoe hingegen erhebliche Defizite. Die Klimaziele seien ohne konkrete Zielvorgaben, der pauschale Stopp des Familiennachzugs verstoße gegen humanitäre Grundsätze. "Es fehlt zudem an konkreten Strategien zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, einem regulatorischen Rahmen für KI-Anwendungen mit transparenten Ethikstandards, einem klaren Bekenntnis zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen, sowie - über Absichtserklärungen hinaus - einer echten Strategie zur Bekämpfung rechtsradikaler, (neo-)faschistischer und sonstiger antidemokratischer Strömungen", liest man in der Analyse.
Ein weiteres Problem sei die unklare Finanzierung vieler Vorhaben. Viele Maßnahmen stünden unter dem Vorbehalt der Budgetkonsolidierung, während klare Prioritätensetzungen fehlten. Dies lasse befürchten, "dass in Summe vielleicht viel Sinnvolles und Notwendiges geplant wird, aber unter dem erwartbaren Druck der Budgetkonsolidierung dann in seinen Ansätzen stecken und in seiner Wirkung ungenügend bleibt". Dies betreffe unter anderem die Integrations-, Bildungs- und Sicherheitspolitik, die Armutsbekämpfung und den Umweltschutz. Auch in der Pensionspolitik seien keine nachhaltigen Maßnahmen erkennbar, da geplante Änderungen erst nach der Legislaturperiode greifen sollen und keine verbindlichen Gesetze angepeilt würden.
Zivilgesellschaft gefordert
Die Akteure der Zivilgesellschaft sieht die ksoe durch das Regierungsprogramm gefordert, "sich aktiv in die politischen Debatten einzubringen und die teils noch form- und gestaltbaren Inhalte durch konstruktive Vorschläge zu ergänzen". Die Regierungsparteien sollten darauf eingehen, indem sie einen "lebhaften Diskurs im Parlament selbst" ermöglichten und einen sachbezogenen, mit professioneller Distanz und Respekt geprägten Umgang pflegten. Von allen Seiten sei dabei auch Kompromissfähigkeit und -bereitschaft vonnöten, so die Katholische Sozialakademie.
Quelle: kathpress