Fortpflanzungsgesetz: Kirche übt scharfe Kritik
Würde die Gesetzesvorlage der Regierung zu einem neuen Fortpflanzungsmedizingesetz im Parlament beschlossen werden, wäre dies ein "Dammbruch": Darauf wies der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Ehe und Familie zuständige St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng am Freitag in einer ersten Reaktion auf die Tags zuvor von Justizminister Wolfgang Brandstetter und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser präsentierte Novelle. Der Bischof zeigte sich "erschüttert", wie schnell noch vor kurzem als tabu geltende bioethische "heiße Eisen" nun Gesetz werden sollen. Für ihn stelle sich die Frage nach dem dahinter stehenden Menschenbild, hieß es in der Aussendung Küngs.
Durch die Zulassung einer Samenspende für die In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (PID) würden "im Namen einer Fortschrittlichkeitsgläubigkeit" eine ganze Reihe von Problemen und Leiden, vor allem für die als Spenderinnen oft unter Druck stehenden Frauen, geschaffen, warnte der Bischof, der auch ausgebildeter Mediziner ist. Und Kinder, deren Recht es sei, "Vater und Mutter zu kennen und mit ihnen aufzuwachsen", würden mehr und mehr zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie.
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Der Regierungsentwurf erweitert die Anwendung der In-vitro-Fertilisation, erlaubt die Samenspende auch für In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (PID). "Alle diese Techniken werfen eine Vielzahl von Problemen auf, die nach wie vor nicht ausreichend erforscht, geschweige denn gelöst sind", erklärte die "Aktion Leben"-Präsidentin. Ihr Eindruck: Statt "berechtigte Einwände" von Kritikern ernst zu nehmen, hätten interessengeleitete Überlegungen den Ausschlag gegeben. Steindl nannte es "erschütternd", dass nachgewiesene Gefahren durch die IVF und Eizellspende keine Rolle spielten.
Soll durchführender Arzt beraten?
Für junge Frauen bedeute der Entwurf, dass sie nun als potenzielle Eizellspenderinnen betrachtet werden und künftig diesbezüglich leicht unter Druck geraten können. Die vorgesehene Beratung über die Risiken bezeichnete Steindl als "Farce", da sie jener Arzt durchführen soll, der auch den Eingriff unternimmt. Nicht umsonst seien auf Websites von Fortpflanzungsmedizinern kaum kritische Aussagen zur Eizellspende zu finden, stellt die "Aktion Leben"-Präsidentin fest. Die Erfahrungen anderer Länder zeigten jedoch: "Je besser informiert die Frauen sind, desto weniger spenden sie Eizellen."
Derzeit seien die gesundheitlichen Folgen für junge Spenderinnen nicht absehbar, so Steindl, es gebe dazu keine aussagekräftigen Studien. Die Hormonstimulation, die für eine Eizellspende, aber auch für die künstliche Befruchtung nötig ist, stehe zunehmend im Verdacht, zu Krebserkrankungen am Eierstock zu führen.
Auch für die Empfängerinnen gespendeter Eizellen bestehen laut Informationen der "Aktion Leben" nicht unerhebliche Risiken. Neben generell höheren Gefahren für ältere Schwangere ab 40 bestünden spezielle Risiken wie Präeklampsie, an denen Empfängerinnen gespendeter Eizellen signifikant öfter litten als andere Frauen, gab Steindl zu bedenken.
Rechte der Kinder "sträflich missachtet"
Auch die Interessen und Rechte der Kinder würden "sträflich missachtet". Mehr IVF bedeutete "mehr Fehlgeburten, mehr Totgeburten, mehr Frühgeburten" mit allen gesundheitlichen Folgen für die Kinder: Dass Paare mit Kinderwunsch auch in dieser Hinsicht hinreichend informiert werden, wie gesetzlich vorgesehen, ist laut Steindl "ebenfalls zu bezweifeln angesichts der bisher mehr als mangelhaften Informationspolitik".
Das Recht eines Kindes, seine biologischen Eltern zu kennen und bei ihnen aufzuwachsen, werde im Gesetzesentwurf ebenfalls völlig ignoriert. "Dabei ist dies völkerrechtlich ein Menschenrecht", wies Steindl hin. "Es ist mehr als zweifelhaft, dass unsere Gesellschaft mit noch mehr verwirrenden Familienverhältnissen, die nun auch in Österreich möglich sein sollen, umzugehen versteht."
SPÖ-ÖVP-Einigung verkündet
Justizminister Brandstetter und Gesundheitsministerin Oberhauser haben ihren Entwurf am Donnerstag in Begutachtung geschickt. Dieser geht über den - kirchlicherseits kritisierten - Auftrag des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), lesbischen Paaren die Samenspende zu erlauben, hinaus. Er erlaubt auch Eizellenspende und die Samenspende Dritter bei der IVF.
Die PID bleibt zwar grundsätzlich weiter verboten, aber es soll Ausnahmen in bestimmten Grenzen geben. In zwei Fällen soll laut Vorstellung der Minister ein in künstlicher Befruchtung erzeugter Embryo vor der Einpflanzung in die Mutter untersucht werden dürfen: Nach drei erfolglosen IVF-Versuchen oder drei Fehlgeburten soll auf Lebensfähigkeit untersucht werden dürfen. Weiters soll PID auch zur Verhinderung schwerer, nicht behandelbarer Krankheiten erlaubt werden - wenn nachgewiesen das Risiko besteht, dass das Kind schwerste Hirnschäden oder dauerhaft schwerste Schmerzen hätte oder nur mit intensiver medizinischer Unterstützung überleben würde.
Hintergrund ist das Bestreben, das rund 20 Jahre alte Fortpflanzungsmedizingesetz zu modernisieren. Unmittelbarer Anstoß dafür war ein VfGH-Erkenntnis vom Jänner, mit dem das Verbot der künstlichen Fortpflanzung mittels Samenspende für lesbische Lebensgemeinschaften aufgehoben wurde - und zwar per 31. Dezember 2014.
Brandstetter und Oberhauser nahmen dies zum Anlass, um auch Empfehlungen der Bioethikkommission umzusetzen - mit einem dezidierten Vermittlungs- und Kommerzialisierungsverbot, wie es hieß. Die 2012 dafür ausgesprochenen Empfehlungen hatte die Bioethikkommission allerdings ohne einheitliche Mehrheit gegeben - nur 15 ihrer insgesamt 25 Mitglieder hatten sich für die Liberalsierungen votiert. Sechs Mitglieder hatten in einem Minderheitenvotum für ein Festhalten an der derzeit gültigen Beschränkung der IVF-Anwendung auf stabile Mann-Frau-Beziehungen und für die Aufrechterhaltung der Verbote für PID sowie den Import embryonaler Stammzellen und Eizellspenden plädiert.