Fortpflanzungsmedizin: Mediziner Beck gegen neues Gesetz
Die Regierung will mit dem am Donnerstag präsentierten Entwurf des Fortpflanzungsmedizingesetzes "an der Öffentlichkeit vorbei durchpeitschen", ohne dabei Gelegenheit zur nötigen breiten Diskussion zu geben: Diese Kritik hat der Wiener Moraltheologe Matthias Beck, Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt, am Samstag im Interview mit "Kathpress" geäußert. Viel zu kurz sei die zweiwöchige Frist zur Stellungnahme, angesichts der komplexen Materie: "Bei ähnlich komplizierten Fragen am Ende des Lebens hat die Politik eine Enquetekommission ins Leben gerufen, die Bioethikkommission befasst und eine halbjährige Diskussion ermöglicht", so der Priester und Mediziner.
Gleich eine Vielzahl von "Streitfragen" und unvorhersehbaren Problemen würde der Gesetzestext eröffnen, führte Beck aus. Dazu gehörten etwa die Konsequenzen der Ermöglichung der gespaltenen Elternschaft aus den sozialen und den genetischen Eltern, die Kinder mitunter in enorme seelische Nöte bringen könne. "Sie fragen auch oft, wie viele Geschwister sie haben", so der Medizinethiker über Erfahrungen in Ländern, in denen die Samenspende für lesbische Frauen schon umgesetzt ist.
Deutlich werde dies am Fall eines Kindes eines lesbischen Paares, das eines Tages seinen Vater kennenlernen wolle, was dieser jedoch ablehnen könne. "Oder er und das Kind möchten einander zwar sehen, doch die beiden gleichgeschlechtlichen Elternteile können das verhindern." Auch könne das Kind die freie Entscheidung, beim genetischen Elternteil zu leben, gegen den Willen der Eltern frühestens mit achtzehn Jahren treffen, da zuvor beide Frauen Eltern mit allen daran anknüpfenden Rechten und Pflichten sind, erläuterte Beck.
Probleme auf ganz anderer Ebene stünden durch die Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik ins Haus, bei der die Begrenzung der Zulassung in ihrer Umsetzung sehr kompliziert sei. Auch bei der Eizellspende gibt es Fragen, da diese u.a. aufgrund der nötigen Hormonstimulation viel tiefer in den Organismus der Frau eindringe als bei der Samenspende.
Naturwissenschaftliche Fehler im Text
Auch naturwissenschaftliche Fehler hätten sich im Gesetzestext eingeschlichen oder seien bewusst eingebaut worden, bemängelte Beck. Der Entwurf spreche von einer Vereinigung der beiden sogenannten "Vorkerne" von Ei- und Samenzelle, deren Existenz jedoch mittlerweile widerlegt sei, da die Zellmembranen sich vorher auflösten und es gerade nicht zu einer Verschmelzung der beiden Vorkerne komme. Möglicherweise sei diese Formulierung, so Becks Vermutung, ebenso wie im deutschen Embryonenschutzgesetz dennoch bewusst gewählt worden, um somit eine auf diesem Ansatz basierende Zwischenzeit von bis zu 15 Stunden zwischen dem Eindringen des Spermiums in die Eizellen und der in Wahrheit nicht existierenden "Vorkernverschmelzung" zu gewinnen.
Alle derartigen Punkte im Gesetzesentwurf müssten näher angesehen und differenziert werden, was aber in der verfügbaren Zeit kaum möglich sei, so der Wiener Experte. "Man müsste jeden einzelnen Absatz diskutieren auf seine naturwissenschaftliche Tragfähigkeit, seine ethische Problematik sowie die Folgen für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Wie es jetzt aussieht, wird das aber wahrscheinlich nicht stattfinden", befürchtete Beck. Auch von der Klausurtagung der Bioethikkommission zu Monatsende sei wohl keine einheitliche Stellungnahme mehr zu erwarten.
Um noch Änderungen zu bewirken, müssten die Akteure der Gesellschaft - darunter auch die Kirchen - unverzüglich in die Debatte einsteigen und in mehreren Punkten eine Präzisierung einfordern. Allerdings wäre es dabei wichtig, differenziert statt mit bloßer Ablehnung in den Dialog einzusteigen, so Beck in Richtung der katholischen Kirche. Zwar halte er deren Ablehnung von Kindern für gleichgeschlechtliche Paare für angebracht, bei anderen Positionen gelte es jedoch Widersprüche aufzulösen.
Derartige Widersprüche ortete Beck etwa bei den vorgeburtlichen Untersuchungen: "Die Gesellschaft - und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - versteht es nicht, warum rechtlich die von der Kirche abgelehnte Abtreibung möglich sein soll, nicht aber eine vorab mögliche Präimplantationsdiagnose (PID), die eine Abtreibung verhindern würde", so der Medizinethiker. Zwischen der PID, auf die statt einer Therapie immer eine Selektion von gesunden und kranken Embryonen erfolgt, und der Pränataldiagnose (PND) bestehe ein "wesentlicher ethischer Unterschied", der jedoch für die meisten Menschen nicht nachvollziehbar sei, betonte Beck. "Hier müsste eine Diskussion einsetzen, ob absolute Forderungen immer und überall durchzusetzen sind."
Ein Faktor für die dargelegte Eile ist laut Beck der Druck auf den Staat durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes: Würde die derzeit gültige, restriktive Gesetzeslage bis Jahresende nicht nachgebessert, stünde in Teilen eine noch liberalere Lösung ins Haus, die dann auch etwa die Samenspende für alleinstehende Frauen ermögliche. "Man will hier das möglichst liberalste Gesetz durchbringen", so Beck. Schon vor Monaten hätte der Entwurf vorgelegt werden können, doch wollte die Regierung augenscheinlich Proteste umgehen. Nötig sei die Hast nicht gewesen: Das Gesetz werde ohnehin erst ab April 2015 in Kraft treten, wenngleich bis Jahresende der Gesetzesbeschluss vorliegen müsse.
Quelle: Kathpress