
Chalupka: Ökumenische Bilanz Benedikts XVI. fällt differenziert aus
Ein differenziertes Resümee über das ökumenische Wirken des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. hat der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka gezogen. In Benedikts Amtszeit von 2005 bis 2013 habe die Aufmerksamkeit "mehr einer Vertiefung des katholischen Selbstverständnisses und weniger der Weiterentwicklung des ökumenisches Gesprächs" gegolten, schrieb der höchstrangige Repräsentant der Protestanten in Österreich in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress. Wesentliche Schritte habe Joseph Ratzinger jedoch bereits davor als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation gesetzt.
Als maßgeblich hob Chalupka besonders zwei unter Federführung Ratzingers entstandene theologische Dokumente hervor: Zunächst die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von 1999 auf der einen Seite, die ein "großer Schritt auf dem ökumenischen Weg" gewesen sei, indem gegenseitige Lehrverurteilungen aufgehoben und das gemeinsame, im Glauben begründete Heilsverständnis betont worden seien. Im Folgejahr habe "Dominus Iesus" hingegen "zu großen Irritationen geführt, weil darin die protestantischen Kirchen nicht als 'Schwesterkirchen' bezeichnet und ihnen das Wesen einer gleichberechtigten Kirche abgesprochen wurde".
Dennoch habe es auch in der Papstzeit einen besonderen Moment der Wertschätzung gegenüber der evangelischen Tradition gegeben: Der Besuch Benedikts 2011 im Augustinerkloster Erfurt, wo einst Martin Luther lebte und wirkte. Die vor diesem Besuch gehegten hohen Erwartungen der evangelischen Kirchen seien allerdings nicht erfüllt worden, erklärte Chalupka. "Vor allem, dass weiterhin kein gemeinsames Abendmahl möglich ist und das Amtsverständnis sind offene ökumenische Fragen, ja schmerzhafte Wunden, die im Übrigen auch unter seinem Nachfolger, dem amtierenden Papst Franziskus bislang ungelöst sind."
Licht und Schatten gab es für Chalupka auch bei Benedikts Österreich-Besuch 2007: Dass damals keine offizielle Begegnung mit Protestanten vorgesehen war, habe bei diesen "großes Bedauern" ausgelöst. Inoffiziell war Chalupka - damals Diakonie-Direktor - dem Papst bei dieser Visite dennoch begegnet, und zwar beim Treffen mit christlichen Hilfsorganisationen. Benedikts umfassendes Wissen über die Zusammenarbeit von Caritas und Diakonie sowie über Hilfsaktionen wie "Nachbar in Not" und "Licht ins Dunkel" hätten ihn imponiert, sagte Chalupka, sowie wie auch seine intensive Beschäftigung mit dem Ökumenischen Sozialwort der Kirchen in Österreich. "Hochachtung und Respekt" signalisierte der evangelische Bischof zudem über den Rücktritts-Entschluss. Benedikt XVI. habe damit "dem Bild des Papsttums neue Humanität verliehen" und "freie Demut im Amtsverständnis" bezeugt.
Quelle: kathpress