
Experte: Krisen zeigen nötigen Wandel im Hospizwesen auf
Der katholische Theologe und Pflegewissenschaftler Andreas Heller sieht in aktuellen Krisen einen möglichen Wegbereiter für Änderungen im Hospizwesen. Corona, Krieg und Klimakrise "könnten den Boden bereiten für eine Gesellschaft solidarischen Aufbruchs, für eine sorgende Hospizgesellschaft", schreibt der Grazer Wissenschaftler in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag für die Evangelische Akademie Tutzing in Bayern. "Die Krisen unserer Gesellschaft erfordern Mitmenschen, die begriffen haben, dass wir nicht tiefer in die eisigen Gewässer der Dienstleistungsgesellschaft geraten dürfen."
Heller führt aus: "Die technoiden Phantasien, nach denen sich das Leben mit Technik, Planung und Management bewältigen ließe, geraten selbst in die Krise. Was wir brauchen ist eine neue Dynamisierung der Hospizbewegung, die sich in die Tiefen dieser Gesellschaft verbreitet und ihre Vielfalt und Buntheit widerspiegelt." Nötig sei die Mitarbeit an einer sorgenden Gesellschaft, in der das Leben eine Aufforderung für alle sei, es zu schützen.
Die Menschen müssten sich fragen, in welcher Gesellschaft sie leben und sterben wollten, so Heller. "Wird es eine technoide Suizidassistenzgesellschaft sein? Assistenz haben wir eigentlich genug. Ob krank oder gesund. Wir gehen immer auf den Krücken der Dienstleistungsgesellschaft. Für alles greifen wir auf Service, auf Geräte, auf Gekauftes zurück. Von der Wiege bis zu Bahre." Der Geburtskanal und der Sterbeweg seien in die Hände assistierender Profis geraten.
"Wir können aber auch auf den großen Schatz hospizlichen Erfahrungswissens zurückgreifen. Den haben viele Engagierte, nicht zuletzt Ehrenamtliche in den letzten Jahrzehnten gesammelt", wendet der Experte ein. Allerdings müsse die Hospizbewegung "vielleicht jünger und flexibler werden. Und ja, die Hospizbewegung muss sich aus der bürgerlichen Engführung befreien." Heller mahnt: "Im Umgang mit dem Sterben und den Sterbenden können wir auch wie unter einem Vergrößerungsglas erkennen, in welcher Gesellschaft wir leben und für welche Gesellschaft wir uns jetzt einsetzen wollen."
Andreas Heller ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Zentrums für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung (CIRAC) an der Karl-Franzens-Universität Graz sowie des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes (DHPV).
Quelle: kathpress