
Katholischer Friedensaktivist: Für Verhandlungen, gegen Waffen
Für den Friedensaktivisten und Vorsitzenden der Katholischen Aktion in der Diözese Innsbruck, Klaus Heidegger, sind pazifistische Ideen "nicht überholt". In seinem Blog (www.klaus-heidewgger.at) plädiert er angesichts des "Bellizismus' unserer Tage" für eine "alternative Friedenspolitik". Manche würden ihn, weil er sich gegen die zunehmende kriegerische Dynamik ausspreche, als "Friedensschwurbler" bezeichnen. Tatsächlich plädiere er gegen jegliche Kriegsvorbereitung und sei deshalb für Verhandlungen und gegen Waffenlieferungen. Die Lösung des Konflikts liege für Heidegger letztlich "in Diplomatie, in Kompromissen und in Verhandlungen".
Für Heidegger ist die "Welt gegenwärtig so nahe an einem Atomkrieg wie noch nie zuvor". Es brauche dringend eine veränderte Strategie des Westens: "Man braucht eine andere Logik als die militärische Logik. Das Eskalationspotenzial muss herunter". In den letzten Wochen seien immer wieder Vorfälle bekannt geworden, die Anlass für einen "noch viel größeren Krieg" geben könnten, so Heidegger mit Verweis auf den Abschuss einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer durch einen russischen Kampfjet in der vergangenen Woche.
Polen und die Slowakei haben zudem kürzlich angekündigt, der Ukraine Kampfjets zur Verfügung stellen zu wollen. Für Heidegger werden immer mehr sogenannte "rote Linien" neu gezogen. "Wenn im Ukrainekrieg vom Westen immer mehr Waffen geliefert werden, dann bedeutet es auch, immer mehr zur Kriegspartei zu werden", so der KA-Vorsitzende. Die heutige Situation nach einem Jahr Krieg in der Ukraine sei vergleichbar mit der Situation vor dem Ersten Weltkrieg. Damals habe niemand den großen Krieg gewollt. "Schlafwandlerisch ist man aber in diesen Krieg gestolpert", zitierte Heidegger den US-Historiker Christopher Clark.
Aufrüstungsdynamiken beenden
Der Krieg in der Ukraine befeuere in erster Linie die Waffenindustrie und lasse dessen Kassen "wie nie zuvor klingen". Auch die EU befinde sich auf politischer wie auf operativer Ebene auf Kriegskurs. So wurde kürzlich ein "Strategischer Kompass" beschlossen, der ein Aufrüstungspaket von zusätzlich 200 Milliarden Euro beinhaltet. Pazifismus bedeute "ein klares Nein zu solchen Entwicklungen. Ein Nein zu einer Entwicklung der EU zu einem militärisch agierenden Bündnis. Nein zur Aufrüstung. Nein zum militärischen Waffengang. Mit einer Atommacht kann nicht Krieg geführt werden, ohne mit der Gefahr eines Atomkrieges zu rechnen", zeigte sich Heidegger überzeugt.
"Jeden Tag sterben hunderte, vielleicht tausende Menschen. Diese Strategie ist verderblich, ist sinnlos: daher braucht es andere Wege", so der Friedensaktivist. Mehr als 100.000 Menschen seien auf beiden Seiten getötet worden, Millionen auf der Flucht. "Abertausende sind körperlich und seelisch verletzt. Zerstörte Städte. Zerstörte Infrastruktur. Militärische Logik ist unmoralisch."
Mit gewaltfreien Methoden gebe es hingegen weniger Leid und weniger Zerstörung. Das habe die Friedens- und Konfliktforschung aufgezeigt: "Gewaltfreie Strategien führen mehr zum Erfolg als militärische Maßnahmen". Auch heute sei es noch möglich zu verhandeln, so der KA-Vertreter, es werde aber immer schwieriger, je länger der Konflikt andauere. "Statt Waffen zu liefern, bräuchte es europäische Friedensinitiativen". Die Grunderkenntnis laute: "Konflikte und Kriege sind diplomatisch zu lösen. Man muss aufeinander zugehen, um Frieden zu machen".
Unterstützung ist moralische Pflicht
Zu einer anderen Einschätzung kommt hingegen der katholische Militärbischof Werner Freistetter. Dieser hatte seit dem Beginn des russischen Überfalls, die Unterstützung der Ukraine durch den Westen - auch mit Waffen - "als Notwendigkeit und 'moralische Pflicht' bezeichnet". Völkerrechtlich sei ein Angriff eines Landes mit militärischen Kräften laut Satzung der Vereinten Nationen ein Verbrechen, hatte der Bischof immer wieder betont, weswegen er die Unterstützung der Ukraine bei der Verteidigung für "sinnvoll und notwendig" erachte.
Die Diskussion, welche Waffen geliefert werden sollten, hält der Militärbischof für verkürzt. Notwendiger wäre zu fragen, "was braucht ein Land, um sich gegen eine große konventionelle Armee zur Wehr setzen zu können: Wie muss ich die Armee ausstatten und nicht, was kann ich rein quantitativ liefern". Für Verhandlungen und ein baldiges Ende des Kriegs sah der Bischof in einem Gespräch zum Jahrestag des Kriegsbeginns Ende Februar keine realistischen Anzeichen. Mögliche Friedensverhandlungen bräuchten Motive, "derzeit sind aber die Ziele beider Kriegsparteien so weit auseinander, dass es nichts zu verhandeln gibt", sagte Freistetter.
Das Argument, die NATO sei durch die Lieferungen von Waffen längst zur Kriegspartei geworden, hält Freistetter unter Verweis auf den Vietnamkrieg nicht für valide. Damals hätte die Sowjetunion Nordvietnam massiv unterstützt, ohne eigene Soldaten zu entsenden, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, sie als Kriegspartei zu sehen. Anders wäre es, wenn die NATO direkt eingreifen würde, also "wenn es zur direkten Konfrontation käme"; daran sei aber weder die NATO noch Russland interessiert, zeigte sich der Bischof überzeugt.
Papst Franziskus stehe mit seinen Bemühungen um Frieden "ganz in der Tradition vatikanischer Diplomatie", betonte Freistetter unter Verweis auf die Rolle von Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs, oder die vatikanische Diplomatie beim Irakkrieg zu Beginn der 1990er-Jahre. Konkret bedeute das, der Vatikan versuche immer, beide Seiten, zusammenzubringen, so unrealistisch das auch sein mag.
Erst am Sonntag hatte Franziskus im Rahmen des Angelus-Gebets am Petersplatz auf die Kriegsverbrechen in der Ukraine aufmerksam gemacht. "Vergessen wir nicht, für das gequälte Volk der Ukraine zu beten, das weiterhin unter den Kriegsverbrechen leidet", sagte der Pontifex. Der Papst machte seine Äußerungen zwei Tage, nachdem der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen hatte.
Quelle: kathpress