Brandanschlag: Christlich-jüdischer Ausschuss entsetzt und besorgt
Mit scharfen Worten hat der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit den Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien kritisiert und zum Schulterschluss gegen Antisemitismus aufgerufen. In einer Stellungnahme am Donnerstag wies der Ausschuss zudem auf den Zeitpunkt des antisemitischen Vorfalls hin: "Eine Woche vor dem Gedenken an die Novemberpogrome am 9. November 1938 und am Tag vor dem 3. Jahrestag des islamistischen Mordanschlags, der vor dem Stadttempel seinen Ausgang nahm, macht uns der Brandanschlag auf die Zeremonienhalle des jüdischen Friedhofs in Wien entsetzt und um die Möglichkeit angstfreier Religionsausübung sehr besorgt."
Der jüdische Friedhof werde "Bet-ha-Chajim" - "Haus des Lebens" - genannt, hieß es in der Erklärung. Das Wort "Friedhof" erinnere zudem an Frieden. Der Ort gelte allen Religionen als heiliger Ort, die Störung der Totenruhe sei zivilgesellschaftlich tabu und rechtlich strafbar, so die Erklärung, die von Koordinierungsausschusspräsident Prof. Martin Jäggle, den beiden Vizepräsidenten Margit Leuthold und Willy Weisz sowie Geschäftsführer Yuval Katz-Wilfling unterzeichnet wurde.
Der christlich-jüdische Ausschuss wies zudem darauf hin, dass beim Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof beim 5. Tor des Wiener Zentralfriedhofs teils nur von "Sachschaden" gesprochen wird. Zu oft seien antisemitische Schändungen von Friedhöfen bagatellisiert worden, warnte der Koordinierungsausschuss: "Wo führt das hin? 167 antisemitische Vorfälle in Österreich seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 sind keine Einzelfälle oder Bagatellen."
Judenhass zerstört Gesellschaft
Die "Nationale Strategie gegen Antisemitismus" der Bundesregierung und die Etablierung des "Nationalen Forum gegen Antisemitismus" seien wichtige notwendige Schritte, es brauche aber einen zivilgesellschaftlichen Schulterschluss bei der Erkenntnis, "dass Judenhass und Judenfeindschaft jede Gesellschaft in ihren Wurzeln zerstören und daher keinen Platz haben dürfen".
Lichtermeer am Wiener Heldenplatz
Das Lichtermeer an diesem Donnerstagabend und der kommende 9. November stünden unter dem Schock des 7. Oktober 2023. "Sie sind ein Weckruf, im betroffenen Gedenken aus der Vergangenheit zu lernen, was heute zu tun ist, was jede und jeder tun kann und muss."
Die Israelitische Kultusgemeinde und die zivilgesellschaftliche Initiative "#YesWeCare" laden am Donnerstagabend um 18 Uhr zu einem Lichtermeer am Wiener Heldenplatz ein. Rund um den 9. November finden in ganz Österreich Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung statt. Der zentrale ökumenische Gottesdienst findet in der Wiener Ruprechtskirche (1010 Wien, Ruprechtsplatz 1) statt.
Bürgermeister und IKG-Präsident erschüttert
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, haben am Donnerstag zur regen Teilnahme am Lichtermeer auf dem Heldenplatz (18 Uhr) eingeladen. Zugleich verurteilten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme den Brandanschlag auf die Jüdische Zeremonienhalle am Zentralfriedhof. "In unserer Welt darf jegliche Form von Gewalt, Diskriminierung und Hetze gegen eine Community keinen Platz haben", so Ludwig und Deutsch.
"Die Nachricht über den Brand im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erschüttert mich zutiefst", betonte Bürgermeister Ludwig. Er bekräftigte seine volle Solidarität mit Jüdinnen und Juden: "Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben hat in unserer Stadt oberste Priorität. Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen!"
Laut IKG-Präsident Deutsch hat es in Österreich seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 165 antisemitische Vorfälle gegeben. "Das sind Zeichen, die wir zu lesen gelernt haben", so Deutsch.
Gedenken an Opfer vom 2. November 2020
Das offizielle Österreich hat am Donnerstag an die Opfer des Terror-Anschlags in der Wiener Innenstadt vor drei Jahren erinnert. Beim Gedenkstein am Desider-Friedmann-Platz gedachten u.a. Bundeskanzler Karl Nehammer und Vize Werner Kogler (Grüne) der damals vier getöteten Menschen mit einer Kranzniederlegung. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: "Gedenken heißt, sich all jener zu erinnern, die bei diesem sinnlosen Akt der Gewalt ermordet oder verletzt wurden."
An der Gedenkveranstaltung nahmen auch Innenminister Gerhard Karner, Bildungsminister Martin Polaschek, Justizministerin Alma Zadic, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr teil.
Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen gedachte der Opfer. Wie schon im Vorjahr nannte er auf Twitter (X) die Vornamen der Opfer und schrieb: "Wir denken an: Gudrun. Nedjip. Qiang. Vanessa. Jene, die damals ihr Leben und ihre Gesundheit riskiert haben, um andere zu beschützen - sie haben uns alle verteidigt. Alles, was Österreich ist, woran wir glauben und wofür wir stehen. Wir lassen nicht zu, dass der Hass uns spaltet."
Am 2. November 2020 eröffnete ein 20-jähriger Islamist in der Nähe des Desider-Friedmann-Platzes kurz vor 20 Uhr das Feuer und lief unter anderem durch die Wiener Seitenstättengasse sowie das "Bermuda-Dreieck". Dabei tötete er vier Menschen und verletzte mehr als 20 weitere teils schwer, bevor er von einem Beamten der Sondereinheit WEGA durch einen tödlichen Schuss gestoppt wurde.
Quelle: Kathpress