Religionssoziologin: Russland sucht Nähe zu Christlicher Rechte in Europa
Die Religionssoziologin Prof. Kristina Stoeckl warnt vor einem wachsenden Einfluss Russlands auf eine "Christliche Rechte" auch in Europa. Dieser Einfluss werde über moral-konservative Netzwerke der russisch-orthodoxen Kirche organisiert. Sei das Phänomen einer "christlichen Rechten" bislang vor allem aus den USA bekannt, so würden sich vergleichbare Kräfte und Gruppierungen heute auch immer häufiger in Europa formieren, sagte Stoeckl in einer neuen Folge des Theologie-Podcasts "Diesseits von Eden" (https://diesseits.theopodcast.at).
Der Podcast zum Nachhören
"Was wir sehen, ist, dass es auch in Europa verstärkt das Phänomen gibt, dass sich Gruppen mobilisieren, die als christlich rechte Gruppen nach dem Vorbild der USA gesehen werden können. Und hier sind drei Punkte wichtig: Einmal ein stark moral-konservatives Ideenspektrum. Zweitens muss eine besondere Form von Institutionalisierung dazukommen. Und drittens die Frage, ob die Gruppen strategische Ziele verfolgen." Dazu zähle etwa die "Schwächung, zum Teil vielleicht sogar eine Abschaffung der liberalen Demokratie. Und zwar in dem Sinne, dass die Demokratie nicht mehr als eine politische Ordnung gesehen wird, die für Christen passend ist", zitierte die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien in einer Presseaussendung am Freitag aus dem Podcast.
Beispiele für solche Gruppierungen machte Stoeckl etwa in Gruppen wie "Christen in der AfD" aus oder "rund um das Gebetshaus Augsburg und um die Publizistin Gabriele Kuby". In Österreich ließen sich Netzwerke bis in die ÖVP und die FPÖ aufzeigen. "Ich blicke mit Sorge auf diese Gruppen und die antidemokratischen Kräfte in der christlichen Rechten", so Stoeckl. Für Russland seien diese Gruppen interessant, weil sie nicht einfach "moral-konservativ" seien, sondern eine antidemokratische Grundhaltung verkörperten und so zur Destabilisierung des aus russischer Sicht "verhassten Westens" beitragen würden. Seit etwa 2012 verfolge die russische Politik aktiv diesen Kurs, Debatten um traditionelle Wertvorstellungen (etwa in Fragen der Abtreibung, von LGBTQ oder Homeschooling) aufzugreifen und mit Hilfe der russisch-orthodoxen Kirche zu befeuern - u.a. durch Sponsoring oder Ausrichtung entsprechender Kongresse und Veranstaltungen im Westen.
Die russisch-orthodoxe Kirche sei in diesem "culture war" im Laufe der vergangenen rund 15 Jahre zu einem willfährigen Spielball Putins geworden, so Stoeckl. Abweichler im eigenen Klerus, die etwa auch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine kritisierten, würden von der Staatsmacht verfolgt, ohne dass sich die eigenen Bischöfe schützend vor sie stellten; viele kritische Theologen seien migriert.
Anlass des Podcasts war ein Vortrag Stoeckls am Mittwoch an der Universität Wien, wo sie auf Einladung der "Vienna Doctoral School of Theology and Research on Religion" (VDTR) zum Thema "Die christliche Rechte in Europa: Inhalte, Akteure und transnationale Verknüpfungen" referierte. Stoeckl, die u.a. an der Universität Innsbruck lehrt, ist derzeit Professorin Freien Internationalen Universität für Soziale Studien (LUISS) in Rom. Sie forscht seit Jahren zu Fragen der russischen Orthodoxie und deren Verbindungen zum russischen Staat. Sie gilt als führende Expertin auf diesem Gebiet.
Quelle: kathpress