Messner: "In den Bergen treffen sich Natur und religiöse Dimension"
Bergsteiger-Legende Reinhold Messner ist kein Fan von Gipfelkreuzen. Im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" sagte Messner, dass er zwar die vorhandenen Kreuze nicht entfernt sehen wolle, zugleich spreche er sich aber gegen neue Kreuze aus. "Das Gipfelkreuz ist eine späte Erscheinung und nicht Teil unserer alpinen Kultur. Darauf will ich aufmerksam machen", so Messner, der im Interview auch über Religiöses sprach: "In den Bergen treffen Natur und die religiöse Dimension zusammen", so der Südtiroler Bergsteiger wörtlich.
Auf Gipfeln sei anfänglich nur ein "Steinmann" platziert worden, so Messner: "Steine wurden übereinandergeschichtet, um zu sagen, 'Hier war jemand'." Kreuze seien seit dem im 13. Jahrhundert als Grenzmarkierung aufgestellt worden - "und zwar dort, wo Menschen von einem Tal ins andere gewechselt sind". Sogenannte Wetterkreuze dienten zudem als Warnung vor Naturkatastrophen. Im 17. Jahrhundert hätten Religionen dann versucht, die Gipfel zu okkupieren, so Messner.
Auch an Handymasten im Gebirge übte Messner Kritik: "Da ist ein kleines Gipfelkreuz weniger schlimm. Handymasten nehmen dem Berg seine Erhabenheit. Sie sind die größere Unkultur. Sie machen den Berg banal."
"Wir sollen uns Gott nicht vorstellen"
Er bezeichne sich selbst als "Possibilisten, als Möglichkeitsdenker", so Messner zu seiner eigenen Religiosität befragt: "Ich respektiere Kirchen und Religionen, halte sie aber für menschengemacht. Das heißt aber nicht, dass es keine göttliche Dimension gibt. In den Bergen treffen Natur und die religiöse Dimension zusammen. Dabei passiert Großes. Das Gleiche, das auch in einer Kathedrale passieren kann."
Der Berg sei ein Symbol der "schieren Unendlichkeit im Verhältnis zu uns Menschen". Aber: "Wir Menschen können und sollen uns Gott nicht vorstellen. Wir haben kein Instrumentarium, das uns hilft, ihn zu erahnen." Nachsatz: "Zum Glück!", denn: "Wenn die göttliche Dimension nämlich erkannt wird, dann wird sie obsolet und verschwindet. Falls der Mensch das Göttliche aufklärt, geht die Welt unter."
Zur Frage, ob der Mensch den Bezug zur Natur verloren hat, meinte Messner: "Durch Industrialisierung und Digitalisierung haben wir den intensiven Kontakt verloren. Zum Draußen, zu dem, was außerhalb des Bildschirms liegt. Und wir werden ihn weiter verlieren." Jahrtausendelang habe der Mensch von der Natur gelernt, "heute gehen Kinder nicht mehr ins Freie". Ob die Naturverbundenheit rückholbar ist, wisse er nicht, er wolle den traditionellen Alpinismus jedenfalls nicht untergehen lassen - "durch mein Tun und durch meine Erzählungen".
Darauf angesprochen, dass er heuer 80 wird, sagte Messner: "So wenig ich das Leben fürchte, so wenig fürchte ich den Tod. Ich lächle über manche Menschen, die unendlich alt werden wollen. Das möchte ich nicht. Die Sterblichkeit ist etwas Positives." Das Altern an sich sei ein schwieriger Prozess, "mit dem ich mich derzeit gut zurechtfinde". Und: "Ich liebe das Leben. Ich schöpfe es voll aus, mit den Fähigkeiten, die ich noch habe. Wohl anerkennend, dass sie schrumpfen."
Quelle: kathpress