
Immer weniger Österreicher bezeichnen sich als religiös
"Für wie religiös halten sich die Menschen?" Die Antwort auf diese Frage unterliegt laut einer jüngst veröffentlichten Langzeitstudie des Wiener Theologen und Religionssoziologen Paul Zulehner einer "Wandlung" (so der Titel seiner Publikation). Der Anteil der "sehr religiösen" und "religiösen" Personen mit hoher Identifikation sowohl mit den kirchlich überlieferten christlichen Glaubensinhalten als auch mit der Kirche selbst hat in den letzten Jahrzehnten von 69 auf 42 Prozent abgenommen. Bei drei weiteren von Zulehner definierten Gruppen - Gleichgültige, "eher Religiöse und "nicht Religiöse" - habe es Zuwächse gegeben.
Der für das zentrale christliche Fest Ostern relevanten Aussage "Ich hoffe, dass es ein Weiterleben nach dem Tod gibt" stimmten bei der Umfrage 2020 mit 58 Prozent nicht dramatisch weniger Menschen zu als 1970 (68 Prozent). Auch bei der dezidiert christlichen Glaubensüberzeugung "Die Menschen werden mit Leib und Seele von den Toten auferstehen" ist kein Einbruch festzustellen: 1970 bekannten sich 29 Prozent dazu, 1990 22 Prozent, zuletzt wieder 24 Prozent. Praktisch unverändert die Zustimmung zu "Mit dem Tod ist alles aus": 1970 teilten ebenso wie 2010 31 Prozent diese Ansicht; 2020 taten dies drei von zehn Befragten.
"Die Auferstehung von Jesus Christus gibt meinem Tod einen Sinn": Dieser Aussage stimmten bei der Umfrage 2020 immerhin 19 Prozent der in Österreich lebenden Personen zu, weitere 17 Prozent sogar "sehr" zu. 21 Prozent stimmten nicht, 42 Prozent gar nicht zu.
Religiöse Landschaft wird immer bunter
Die diesen Daten zugrunde liegende Langzeitstudie ist die seit 1970 im Zehnjahresabstand von Zulehner durchgeführte Studie "Religion im Leben der Österreicher*innen". Die jüngste Etappe aus dem heurigen Jahr zeigte eine Weiterentwicklung der vom mittlerweile 80-jährigen Theologen schon davor diagnostizierte "Verbuntung" der religiösen Landschaft.
Es gibt demnach in Österreich nach wie vor viele Menschen, für die Religion "lebensrelevant" ist: wenn Trost und Hoffnung gesucht werden, für das Berufsleben, bei der Bewältigung von Krisen. Der Anteil dieser "Lebensreligiösen" hat sich laut der Studie jedoch von 1970 (46%) bis 1990 (26%) und 2020 (11%) markant reduziert. Leicht gestiegen sind jedoch die Gruppen der "Trostreligiösen" und der "Notreligiösen", befand Zulehner: Erstere seien zwar religiös angesichts des Todes, aber Religion sei in deren Alltagsleben aber "belanglos"; letztere entsprächen der alten Weisheit, dass Not beten lehrt. Die am stärksten angewachsene Gruppe ist die der Unreligiösen: Sie nahm in der letzten 50 Jahren von 13 auf 34 Prozent zu.
"Außeralltägliche Erfahrungen" machen und benennen zugleich viele Österreicher: "ein Gefühl der Gegenwart Gottes" hatten laut der Umfrage von 1990 schon 23 Prozent einmal erlebt, 2020 waren es mit 22 Prozent ebenso viele. Das "Bewusstsein, durch Gebete Hilfe zu bekommen" hatten zu denselben Zeitpunkten 36 bzw. 26 Prozent.
Ein weiterer, vor dem Hintergrund der Corona-Krise relevanter Aspekt der Langzeitstudie: Die Österreicher wurden seit 1970 regelmäßig befragt, welche kirchlichen Aufgaben sie für wichtig oder aber unwichtig halten. "Gottesdienst feiern" nannten vor 50 Jahren noch 84 Prozent "wichtig" oder "sehr wichtig". 1990 waren nur mehr 63 Prozent dieser Ansicht - ein Wert, der sich seitdem nicht mehr verringert hat.
Paul Zulehners Buch "Wandlung. Ergebnisse der Langzeitstudie Religion im Leben der Österreicher*innen 1970-2020" erschien im deutschen Matthias-Grünewald-Verlag und kostet 41,20 Euro.
Quelle: kathpress