
Wien: Leichtes Plus für Religionsunterricht in 9. Schulstufe
Mit Beginn des Schuljahres 2021/22 hat der verpflichtende Ethikunterricht für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, Einzug in die Oberstufe (vorerst neunte Schulstufe) gehalten. Das Schulamt der Erzdiözese Wien (Wien und östliches Niederösterreich) zog nun eine positive Bilanz: Die Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht sind nicht nur stabil, sie zeigten sogar ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr, wie Schulamtsleiterin Andrea Pinz in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" sagte. Im direkten Vergleich mit dem Fach Ethik könne der Religionsunterricht zudem sein Profil schärfen und auch an inhaltlicher Qualität gewinne. Pinz ortete zudem ein gutes Zusammenspiel zwischen beiden Unterrichtsfächern.
Rund 23.000 Schülerinnen und Schüler besuchen im Bereich der Erzdiözese Wien eine 5. Klasse AHS bzw. eine erste Klasse der Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen. Mehr als 10.000 oder etwa 46 Prozent von ihnen sind katholisch. 7.715 besuchen den Religionsunterricht. Nimmt man die Teilnehmenden ohne religiöses Bekenntnis hinzu, die sich zu Religion anmelden können, besuchen insgesamt 8.196 oder 35,52 Prozent dieser Schülerinnen und Schüler den katholischen Religionsunterricht. Alles in allem bedeutet das ein Plus von 3,55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Eine Erklärung dafür ist laut Pinz, "dass aufgrund von Corona Fragen der Lebensgestaltung, des Umganges mit persönlichen Sorgen und Ängsten und der Zukunftsorientierung verstärkt im Fokus stehen". Aber auch unabhängig von Corona habe der Religionsunterricht den jungen Menschen eine Menge zu sagen: "Unsere Erfahrung ist, dass er von den Schülerinnen und Schülern als bedeutsam für ihr Leben und für ihre Entwicklung wahrgenommen wird, weil er sie selber sozusagen zu seinem Inhalt macht."
Im Rahmen des Religionsunterrichtes hätten die jungen Menschen mit ihren Fragen, Ängsten, Nöten, Hoffnungen und Freuden ganz andere Möglichkeiten über sich selbst und ihr Leben nachzudenken und zu diskutieren, als in anderen Fächern. Religionsunterricht biete aus der christlichen Botschaft heraus Antworten, er rege zur kritischen Reflexion und auch zum Widerspruch an. Und er zeige den Jugendlichen gleichzeitig immer die Freiheit ihrer persönlichen Entscheidung auf. Pinz: "Darin ist er im Fächerkanon einzigartig und unverzichtbar. Zeitgemäßer Religionsunterricht steht für eine vernunftgeleitete Auseinandersetzung mit dem Glauben. Und es sind unsere Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrer eigenen Überzeugung und in ihrem Authentisch-Sein den Religionsunterricht gelingen lassen."
690 Lehrerinnen und Lehrer würden derzeit im Bereich der Erzdiözese Wien an höheren Schulen Religion unterrichten. Etwa ein Viertel davon sei auch für Ethik ausgebildet oder stecke gerade in der Ausbildung.
Kooperation und Profilschärfung
Insgesamt sah die Wiener Schulamtsleiterin ihre positive Haltung zur Einführung des Ethikunterrichts im Regelschulwesen durch die aktuellen Zahlen bestätigt. Die Erfahrungen aus mehr als zwanzig Jahren Schulversuch hätten gezeigt, dass der Religionsunterricht im direkten Vergleich mit dem Fach Ethik sein Profil schärfe und auch an inhaltlicher Qualität gewinne. Pinz: "Im Grunde ist es natürlich so: Beide Fächer leisten einen wesentlichen Beitrag zur Werte- und zur Demokratieerziehung. Ethische Erziehung und Wertevermittlung finden in beiden Fächern statt." Auch die Lehrpläne der christlichen Kirchen würden einen hohen Anteil an ethischen Themenstellungen aufweisen. Über weite Strecken sei es sogar so, dass sie sich mit dem, was im Ethikunterricht durchgenommen wird, decken.
Trotzdem gebe es klare Unterschiede: "Während der Ethikunterricht verpflichtet ist, die vielfältigen Konzepte und Traditionen vergleichend und neutral gegenüberzustellen und zu diskutieren, legt der Religionsunterricht - ohne die Vielfalt auszuklammern - seine Quellen offen und bekennt sich dazu", so Pinz. Der Religionsunterricht ermögliche so "eine reflektierte Auseinandersetzung mit den eigenen religiösen Wurzeln, mit Religion im Allgemeinen, mit Diversität und er fördert damit auch den interreligiösen Dialog, der ja speziell dann gut gelingt, wenn wir genügend voneinander wissen".
Gerade deshalb gebe es auch immer wieder einzelne fächerübergreifende Projekte zwischen Ethik und konfessionellem Religionsunterricht. "Religion und Ethik stehen in guter Kooperation miteinander. Aber auch zwischen den unterschiedlichen Konfessionen und Religionen klappt die Zusammenarbeit sehr gut", betonte die Schulamtsleiterin.
Neues Format "W.I.R.-Stunde"
Dass der Religionsunterricht ökumenisch offen ist, zeigt sich inhaltlich nicht nur die Lehrpläne, sondern auch organisatorisch. Dazu zählt hat der dialogisch-konfessionellen Religionsunterricht, der auf einer Vereinbarung der beteiligten christlichen Kirchen beruht und derzeit in mehr als 60 Klassen umgesetzt wird. Neuerdings werden zudem in der Erzdiözese Wien ein Format erprobt, das alle Schülerinnen und Schüler der 5. bis 8. Schulstufe im Klassenverband - jene, die einen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, und jene, die das nicht tun -zu einer sogenannten "W.I.R.-Stunde" zusammenbringt.
W.I.R. stehe dabei für Werte, interkulturelles Lernen und Religionen und es würden Themen der Werteerziehung aus säkular ethischen und unterschiedlichen religiösen Blickwinkeln behandelt. Ziel sei auch hier das bessere Verständnis füreinander. Die Rückmeldungen seien bei Schülerinnen und Schülern, Lehrenden und Eltern höchst positiv, so Pinz.
Quelle: kathpress