"Theologie muss sich stärker in technologische Prozesse einbringen"
Die Theologie muss sich viel stärker als bisher in moderne technologische Prozesse einbringen und den Menschen Halt und Orientierung bieten. Das fordert die deutsche Theologin und Philosophin Anna Puzio in einer neuen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig". Derzeit gebe es Angst einerseits und extreme Technikeuphorie andererseits. "Man fragt sich: Was kann der Mensch noch, was die Maschine nicht kann, oder nicht können wird?", so Puzio. Kirche und Theologie seien gefragt, auf dieses Orientierungsbedürfnis einzugehen und auch das christliche Menschenbild verstärkt einzubringen: "Wenn wir davon ausgehen, dass durch die Technik unser Verständnis vom Menschen neu verhandelt wird, haben wir jetzt die Chance auf ein neues, inklusiveres Menschen- und Körperverständnis."
Die Theologie reagiere auf viele Fragestellungen derzeit aber nur unzureichend, meint Puzio. Deshalb seien auch bereits viele Antworten gefunden worden, wo die Theologie nicht zu Wort komme. Freilich: Eine Technik-skeptische Theologie werde die Technologisierung nicht aufhalten, zeigt sich die Theologin überzeugt. Deshalb sei es wichtig, die Technologisierung verantwortungsbewusst mitzugestalten. Außerdem würde die Theologie sonst den Bezug zu jungen Menschen verlieren, die sich ein Leben ohne Technik nicht mehr vorstellen können.
Kritisch geht die Theologin im Podcast mit der philosophischen Denkrichtung des Transhumanismus ins Gericht, die die Grenzen menschlicher Möglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will. Der Transhumanismus reduziere den Menschen auf Algorithmen. Durch das Streben nach Perfektion und Leistungssteigerung würden etwa Menschen mit Behinderung diskriminiert. Puzio: "Es geht um die Beseitigung von jeder Form von Schwäche und Vulnerabilität." Das radiere die Vielfalt der Menschen aus: "Es sind sehr simplifizierende Ansätze, wie man den Menschen umarbeiten kann." Teilweise werde der Mensch wie ein Auto gesehen, das man nach Bedarf reparieren könne.
Themen des Transhumanismus wie radikale Lebensverlängerung und Unsterblichkeit berührten freilich auch viele religiöse Themen. "Beseitigung von Leid und paradiesische Vorstellungen werden ebenfalls rezipiert", hebt Puzio hervor. Der Transhumanismus sei attraktiv, weil er verspreche, alle Probleme der Menschheit einfach und unkompliziert zu lösen. Viele der aufgeworfenen Fragen seien auch metaphysischer Natur, wie zum Beispiel jene, ob künstliche Intelligenz ein Bewusstsein hat.
Laut Puzio werden "religiöse Roboter" in den nächsten Jahren ein Thema werden. Ein Beispiel hierfür sei der Segensroboter "BlessU-2", der bereits 2017 für die "Weltausstellung Reformation" in Wittenberg konzipiert wurde. Der Roboter kann in verschiedenen Sprachen Segnungen vornehmen und führt seit seiner Entstehung zu leidenschaftlichen Diskussionen.
Puzio ist eine der Herausgeberinnen des Buches "Menschen in einer technisierten Welt. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Menschen im Zeichen der digitalen Transformation", das im Juni 2022 im Springer Verlag erschienen ist.
Initiative "Weil ma glaubn"
Den Glauben - vor allem durch Musik - mit anderen Menschen teilen und dadurch zu einem offenen Dialog und Glaubensleben inspirieren: Das will die 2020 während der Corona-Pandemie von Steffie Sandhofer und Constanze Huber gegründete Initiative "Weil ma glaubn". In einer weiteren neuen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig" spricht Sandhofer über die Beweggründe für die Initiative, bedauerte, dass in der Kirche ihrer Meinung nach der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils etwas verloren geht und äußerte sich auch kritisch zur aus dem evangelikalen Bereich kommenden Worshipmusik, die inzwischen auch in der Katholischen Kirche Eingang gefunden hat.
Ihr Glaube sei ihr Fundament, "damit das Leben leichter ist", so Sandhofer. Die Gründung von "Weil ma glaubn" sei pandemiebedingt gewesen: "Wir haben gemerkt, dass uns das Gemeinschaftsgefühl fehlt." Gemeinschaft sei aber gerade in der Kirche zentral. "Wir haben uns gesagt, wir brauchen etwas, wo wir gemeinsam mit Menschen beten". Anfangs wurde einmal in der Woche am Sonntagabend online gebetet.
In den Beiträgen auf der Website gehe es um den Alltag mit Gott min all seinen Facetten, so Sandhofer: "Wir haben uns auf Glaubenskommunikation spezialisiert und versuchen, gemeinsam mit der Community, herauszufinden, welche Themen gerade offen sind."
In einem der Beiträge geht es darum, dass Sandhofer und Huber das Gefühl haben, die "letzten Kinder" des Konzils zu sein. Der Geist des Zweiten Vatikanums habe sie stark geprägt, so Sandhofer. Dieser sei aber in der Kirche ein wenig verloren gegangen. "Wir wollen aber ganz klar sagen: 'Uns gibt es auch.'" Ihren Platz in der Kirche definierte Sandhofer als "mittendrin und schon auch am Rand stehend".
Eine wichtige Rolle im Glauben und auch bei den Gottesdiensten spielt die Musik. "Wir sind selbst Musikerinnen und über Musik erreicht man die Menschen", so Sandhofer. Als sie in der Katholischen Jugend aktiv war, gab es gerade die "Find Fight Follow"-Eventgottesdienste. Dann kamen die Lieder aus dem freikirchlichen Bereich auf. Die Worshipmusik. Sie habe begonnen, so Sandhofer, sich damit auseinanderzusetzen. "Da ist uns bewusst geworden, dass wir nicht mehr alles singen können." Der Worshipmusik stehe sie seither skeptisch gegenüber.
Denn mit den Ohrwürmern würden teils auch fragwürdige Inhalte transportiert, meinte Sandhofer: "Der Worshipmusik geht es extrem darum, Emotionen zu wecken. Dies dann aber mit Aussagen wie 'Ich bin so klein und du so groß und ich bin so sündig' ist nicht gut." Da stecke in einem Lied so viel Schuld, dass man seinen Einsatz nur bei Gemeinschaften in Erwägung ziehen sollte, die gefestigt im Glauben seien und mit solchen Texten Erfahrung haben. "Wenn Menschen das theologisch mitsingen können, soll es so sein."
Eine Verwendung für Firmlinge würde Sandhofer aber beispielsweise dezidiert nicht empfehlen: "Für mich ist es problematisch, wenn ich Emotionen hinausschicke und dann die Menschen damit alleine lasse. Mit diesen Liedern importieren wir evangelikale Sichtweisen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob das den Menschen bewusst ist."
Die Musik, die auf "Weil ma glaubn" propagiert wird, beschreibt Sandhofer so: "Wir machen viel Akustikpop. Großteils Deutschpop, weil uns wichtig ist, dass das, was wir singen, unterstützen soll, worum es uns geht." Die Message müsse zu den im Gottesdienst angesprochenen Themen passen.(Infos: www.weilmaglaubn.at)
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
Quelle: kathpress