
Stephansdom: Adventlicher Helnwein-Protest gegen Gewalt an Frauen
Der international bekannte Künstler Gottfried Helnwein setzt am Stephansdom ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Ab Dienstag wird am Südturm des Doms ein großflächiges Plakat angebracht, auf dem der immer wieder mit Schockeffekten arbeitende gebürtige Wiener und seit 2004 irische Staatsbürger ein verletztes Mädchen mit Blutflecken darstellt. Darunter die um Empathie werbende Aufschrift "My Sister" und das Jesuswort aus dem Matthäusevangelium "Was ihr für meine geringsten Schwestern und Brüder getan habt, habt ihr mir getan" (Mt 25,40). Das Plakat soll bis 9. Jänner 2023 am Gerüst des Hochturms zu sehen sein.
Das "großflächige Statement am Stephansdom" entwickelte Helnwein in Zusammenarbeit mit dem Verein "Unser Stephansdom", Dombaumeister Wolfgang Zehetner und Dompfarrer Toni Faber, teilte letzterer der Nachrichtenagentur Kathpress mit. Zugestimmt hätten Kardinal Christoph Schönborn, Domdekan Rudolf Prokschi und Domkustos Gerald Gruber. "Gerade in der 'stillen Zeit' vor Weihnachten soll es für das Thema 'Gewalt an Frauen und Mädchen' sensibilisieren, drohen doch rund um dieses Fest oft die Aggressionen zu wachsen", erläuterte Faber.
Unmittelbar nach der Entfernung des Plakats beginnt auch der Abbau des Gerüstes des Hochturms; die Restaurierungsarbeiten in diesem Bereich sind laut dem Dompfarrer nach mehreren Jahren abgeschlossen.
Proteste im Iran gaben Anstoß
Der 74-jährige, in Irland und Los Angeles lebende Künstler Helnwein nannte die Gewalt gegen Frauen und Kinder in einem "Kurier"-Interview "die größte, älteste und weitreichendste Menschenrechtsverletzung". Den Anstoß zum Plakat auf dem österreichischen Wahrzeichen hätten die jüngsten Ereignisse im Iran gegeben, wo der Todesfall einer in den Augen der Sittenpolizei unkorrekt gekleideten jungen Frau zu einer Protestwelle gegen das Mullahregime führte. "Die Menschheit hat sich so dran gewöhnt, dass Frauen unterdrückt, diskriminiert und entrechtet sind, dass es niemandem mehr auffällt", sagte Helnwein. "Aber jetzt im Iran haben wir einen der seltenen Augenblicke, wo sich Frauen und gottseidank auch Männer unter Lebensgefahr offen dagegen auflehnen."
Er empfinde eine Verpflichtung, sich an die Seite dieser Frauen und Mädchen zu stellen, beteuerte Helnwein. "Ich bin im Gespräch mit exil-iranischen Frauen und habe mich entschlossen, eine Installation zu diesem Thema im öffentlichen Raum zu machen." In seiner Arbeit habe er sich immer wieder mit dem Thema Gewalt beschäftigt, besonders mit der Gewalt gegen Kinder. Ein Künstler könne wie ein Chronist Dinge sichtbar machen und in Erinnerung rufen, die die Menschen lieber verdrängen, verwies Helnwein auf berühmte Vorbilder wie Goyas "Die Gräuel des Krieges" und Picassos "Guernica".
Auch Dompfarrer Faber hatte sich in seiner "Kurier"-Kolumne am vergangenen Sonntag (11. Dezember) betroffen von der "schrecklichen Bilanz" gezeigt, dass in Österreich heuer bereits 29 Femizide verübt wurden und 20 Prozent aller Frauen irgendwann einmal von Gewalt betroffen seien. Faber stellte die Frage, ob dieser Missstand "überhaupt ein adventliches Thema" sei. Seine eindeutige Antwort: "Ja, weil es in den Texten und Bräuchen des Advents nicht nur um weihrauchschwangere Seligkeit geht, sondern um handfeste Umkehr und Abkehr von Fehlentwicklungen wie Gewaltakten." Zum gewählten Bibelwort zur Plakataktion betonte der Dompfarrer: "Jede Frau, die Gewalt erfährt, ist meine Schwester."
Quelle: kathpress