
Bunte religiöse Landschaft erfordert breit aufgestellte Seelsorge
Gabriele Eder-Cakl, seit März neu an der Spitze des Österreichischen Pastoralinstituts (ÖPI), steht vor großen Aufgaben. Seelsorge muss in der zunehmend bunten religiösen Landschaft in Österreich breit gefächert sein, wie die oberösterreichische Theologin am Samstag im Kathpress-Interview darlegte: Neben den Pfarrgemeinden als unverzichtbare "Kirche vor Ort" gebe es unterschiedlichste kategoriale Zugänge der Pastoral, die "Menschen dort abholen, wo sie leben". Die Palette der Zuständigkeit des ÖPI als "Fachstelle für die Seelsorge, im Dienst der Bischofskonferenz und der Diözesen" reicht hier u.a. von City- und Pilgerpastoral über Krankenhaus- und Gefangenenseelsorge bis hin zu Frauenkommissionen und Umweltreferaten, wie aus der Website www.pastoral.at hervorgeht.
Auch wenn die Bindung an Institutionen und damit auch an die Kirchen schwindet, belegen aktuelle Studien doch Erwartungen der Menschen an diese, wie Eder-Cakl hinwies. Und die seien vielfältig: Hilfe in Not, Orientierung, Einsatz für Schöpfungsverantwortung, Friedensarbeit, Menschenwürde und Gemeinschaft. In allen Milieus seien - oft implizit - religiöse Themen präsent, die die Menschen beschäftigen. Und Nähe zur Kirche komme auf andere Weise zustande als noch vor einer Generation, sagte die bisherige Pastoralamtsleiterin der Diözese Linz. So werde die Telefonseelsorge auch nach der pandemiebedingten Isolation stark genützt, ebenso würden Gottesdienste weiterhin gerne via TV, Radio und Internet mitgefeiert.
Gerade im digitalen Raum, in dem viele Menschen Arbeit leisten, Freizeit verbringen, Freundschaften pflegen, müsse die Kirche präsent sein; diese "Lebenswelt" wird sich laut Eder-Cakl noch ausweiten. Dem ÖPI als bundesweiter Einrichtung komme hier eine koordinierende Aufgabe zu, denn "Diözesangrenzen spielen im Internet keine Rolle mehr".
In Qualität investieren
Wien mit einem Anteil von nur mehr etwas über 30 Prozent Katholikinnen und Katholiken gibt für die Seelsorge-Expertin Anstoß zu Fragen wie: "Was ist unsere Aufgabe als Kirche? Wie geht Christsein heute? Wie kann Glaubensverkündigung aussehen?" Immer noch seien kirchlich gespendete Sakramente - erlebbar bei Taufen, Hochzeiten oder Begräbnissen - wichtige Anknüpfungspunkte. Umso mehr gelte es Augenmerk auf Kompetenz und Sensibilität zu legen, etwa bei der Frage "Wie reden über Tod und Trauer?" Generell möchte Eder-Cakl Qualität fördern und dabei neben haupt- auch ehrenamtlich in der Kirche Tätige einbeziehen.
Sorge mache nicht nur ihr, ob es angesichts schwindender Ressourcen der Kirche auch in Zukunft noch genug theologisch qualifizierte Leute gibt - Religionslehrkräfte, Pastoralassistentinnen, Priester. Auch in der Bischofskonferenz und bei den Pastoralverantwortlichen der Diözesen stelle sich dieses Thema. Die Hochschulen seien mit neuen Studienangeboten sehr bemüht, theologische Ausbildungen attraktiver zu machen; es gebe auch berufsbegleitende Angebote. Wissenschaftliche Reflexion hält Eder-Cakl für unverzichtbar, "um nicht ideologisch oder fundamentalistisch zu werden". Es sei auch Aufgabe des ÖPI, sich mit Personalentwicklern zu vernetzen, um als Kirche weiterhin einfühlsam Seelsorgende, lebensnah Predigende oder zielgerichtet karitativ Engagierte in ihren Reihen zu haben.
Pfarren bleiben wichtig
Pfarrgemeinden bleiben als Brennpunkte kirchlichen Lebens enorm wichtig, um als Kirche unmittelbar präsent und "ansprechbar" zu sein, ist sich Eder-Cakl sicher. Menschen bräuchten "Face-to-Face-Kontakte". Die Kirche verfüge mit 3.000 Pfarrgemeinden in Österreich über ein Netzwerk, das sonst kaum jemand hat; ihre Gebäude, aber auch Gottesdienste seien "Oasen" mitten im Alltag.
Dort Kerzen anzuzünden sei auch für viele, die sonst selten in die Kirche gehen, ein beliebtes Ritual: "Warum? Weil die Leute sagen: Ich merke, ich bin endlich, begrenzt, kann nicht mit einem Fingerschnippen Frieden herstellen, eine Krankheit beenden und möchte deshalb einen Gedanken für meine Liebsten in den Himmel schicken." Auch deshalb hält Eder-Cakl, wie sie sagte, "offene Kirchen (für) enorm wichtig". Mittlerweile werde kirchlicherseits deutlich erkannt, dass Beziehung zur Kirche und vor allem zur Religion "nicht nur daran messbar ist, wer am Sonntag um halb 10 in einer Kirche sitzt".
Die Pfarrgemeinderäte sollten für sich klären, was sie in ihren konkreten pastoralen Raum einbringen können, riet Eder-Cakl. Es mache einen Unterschied, ob eine Pfarre in einem Tourismus- oder Industriegebiet liegt oder ob Migration bzw. Zuzug junger Familien ein Thema ist. Da gelte es Kräfte zu bündeln und je nach vorhandenen Fähigkeiten Schwerpunkte zu setzen und den überfordernden Anspruch auf "permanente Rundum-Betreuung" abzulegen.
"Kirche am Ort" mindere zugleich nicht die Bedeutung von kategorialer Seelsorge, durch die Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen oder Hochschulgemeinden zu pastoralen Orten würden. Die Kirche hole Personen damit dort ab, wo sie leben und hingehen und bilde dort auch Gemeinschaft - wie etwa durch Kur- und Reha-Seelsorge. Ein "ganz großes Thema" ist laut Eder-Cakl das Pilgern: Das Bedürfnis, sich eine Auszeit zu nehmen, zu sich selber zu finden, die Natur und Schöpfung wahrzunehmen, biete viele Chancen für kirchliche Begleitung.
Mehr Geschlechtergerechtigkeit notwendig
Bei all dem ist sich die Seelsorge-Expertin bewusst, dass vieles an der Kirche gerade bei jungen Leuten "verstaubt" wirkt. Es gelte die heute oft sehr unterschiedlichen Lebensformen wahr und ernstzunehmen: Es gebe nicht mehr nur klassische Vater-Mutter-Kinder-Familien, sondern verschiedenste Beziehungsformen und "queere" Vielfalt. Und: "Es versteht kein Junger mehr, dass es an Geschlechtergerechtigkeit in Kirche mangelt."
Auch in der Kirche gebe es hier viele Wünsche nach Veränderungen - wobei sich in den vergangenen Jahren auch vieles verbessert habe, was Mitverantwortung von Frauen betrifft, wie Eder-Cakl erläuterte: Man finde sie vermehrt in Führungspositionen - auch im Vatikan -, die Bischofskonferenz habe sich verpflichtet, den Anteil von Frauen mit Leitungsverantwortung soll in Dienststellen, Gremien und Arbeitsgruppen der Diözesen in sieben Jahren zumindest auf ein Drittel zu erhöhen, und weitere Hoffnung gebe das beachtliche Vorbereitungsdokument für die Kontinentalsynoden im Rahmen des Synodalen Prozesses. Dort heißt es quasi "kirchenoffiziell", dass "die Kirche einen Weg finden muss, um Männer für eine aktivere Mitgliedschaft in der Kirche zu motivieren, und Frauen eine umfassendere Teilhabe auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens zu ermöglichen".
Eder-Cakl selbst übergab Papst Franziskus beim Besuch einer österreichischen Frauendelegation im Vatikan ein Statement mit der Feststellung, Geschlechtergerechtigkeit sei "kein Privileg", sondern müsse Normalität in der Kirche werden. Als möglichen Ausweg aus Konflikten darüber erachtet die ÖPI-Direktorin "Probierräume" mit unterschiedlichen Vorgangsweisen bzw. Reformgeschwindigkeiten in Teilkirchen. Details dazu seien bei den Weltsynoden im Herbst 2023 und 2024 zu klären.
In Eder-Cakls neuen Arbeitsumfeld hat sich weibliche Kompetenz bereits etabliert: Das ÖPI arbeitet eng zusammen mit der Pastoralkommission Österreichs und deren geschäftsführender Vorsitzenden Anna Findl-Ludescher sowie mit der "Arge Österreichische Pastoralamtsleiter*innen" unter Luzia Greiner, Referatsbischof für Pastoral ist Josef Marketz (Gurk); bis zu seiner Pensionierung mit 1. Mai ist auch noch ihr Vorgänger Walter Krieger am ÖPI präsent. Die aktuellen Arbeitsschwerpunkte im Institut sind laut Eder-Cakl das Miteinander von Klerus und Laien, das Thema Synodalität, das von Franziskus eingerichtete Katechetenamt, digitale Seelsorge und die Initiative "Denk dich neu" für junge Erwachsene. "Aushängeschild" des Instituts bleibt die Österreichische Pastoraltagung, deren nächste Ausgabe im Jänner 2024 "Wirtschaft und Kirche" zum Thema hat. (Link: www.pastoral.at)
Quelle: kathpress