
Schönborn: Kreuz gehört zu den "Ursymbolen der Menschheit"
Das Kreuz gehört zu den "Ursymbolen der Menschheit" und ist nicht allein den Christen vorbehalten. Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn am Karfreitag in einem Beitrag für die "Kronen Zeitung" aufmerksam gemacht. Der Wiener Erzbischof ging darin auf den Streit um das Kreuz im öffentlichen Raum ein, der "wie das Amen im Gebet" regelmäßig an Feiertagen entfacht werde. Der vermeintlichen Störung jener Menschen, die nicht den christlichen Glauben teilen und am Kreuz in Schulklassen und Spitalszimmern, auf Berggipfeln und in Gerichtssälen Anstoß nehmen, hielt Schönborn die "einfache Einladung" entgegen, "über den Sinn dieses Zeichens nachzudenken".
Seit Urzeiten würden die beiden Balken des Kreuzes an die zwei wesentlichen Dimensionen des Kosmos und daher auch des Menschen erinnern: die Vertikale und die Horizontale. "Das Kreuz muss im Boden verankert sein, um stehen zu können", schrieb der Kardinal. "So ist es auch mit uns. Ohne Bodenhaftung fehlt uns der solide Stand." Zugleich weise der Stamm des Kreuzes nach oben: "Ohne die Ausrichtung auf das, was über uns ist, den Himmel, das Überirdische, fehlt uns die Zielrichtung des Lebens." Den Querbalken deutete Schönborn als Verweis auf "das Miteinander, die vielen Querverbindungen, ohne die wir nicht leben können, Familie, Freunde, Gesellschaft". Der aufrechte Stand und Gang des Menschen verkörpere die Vertikale, die ausgebreiteten Arme die Horizontale, fasste Schönborn die Symbolik des Kreuzes für den Menschen zusammen.
Durch die Kreuzigung Jesu habe das Kreuz für die Christinnen und Christen zusätzlich eine ganz besondere Bedeutung bekommen. Lange vor seinem Tod am Kreuz habe es die Phantasie der Menschen es zu einem Folterwerkzeug und zum "Symbol der grausamsten Todesart" gemacht. Jesus sei nur einer von Zahllosen gewesen, die unter unsäglichen Qualen auf diese Weise getötet wurden, erinnerte der Kardinal. An deren längst vergessene Leiden erinnere das Kreuz bis heute. Und Schönborn fügte hinzu: "Wenn wir nur noch das Gesunde, Strahlende, Topfitte des Menschen sehen wollen, dann müssen wir tatsächlich alle Kreuze entfernen, um ja nicht an das Leid so vieler Menschen erinnert zu werden."
Der Wiener Erzbischof erinnerte an das im Neuen Testament geschilderte Verhalten der Frauen, die Jesus bis zum Kreuz begleiteten, "allen voran seine eigene Mutter, die beiden anderen Marien und als Einziger von den Aposteln der Lieblingsjünger Johannes". Sie stünden dort für die vielen, die nicht wegbleiben und wegschauen, wenn andere leiden.
Das Kreuz sei nicht umsonst "das große Symbol des helfenden Beistands bei Unfällen, Katastrophen, bei allen Arten von menschlicher Not", verwies Schönborn "mit großer Dankbarkeit" an das Rote Kreuz und viele andere Hilfsorganisationen. Hier leuchte die tiefste Bedeutung des Kreuzes auf: "Es ist das große, bleibende Zeichen der Versöhnung und Vergebung." Beides gibt es nach den Worten Schönborns nur, wenn einer bereit sei, dafür den Preis zu zahlen: "Dazu hat Jesus freiwillig das Kreuz auf sich genommen. Was braucht unsere Welt mehr als echte Versöhnung? Deshalb brauchen wir das Zeichen des Kreuzes."
Kreuz zeigt Überwindbarkeit des Todes
Im oberösterreichischen "Volksblatt" (7. April) geht der Linzer Bischof Manfred Scheuer auf die Frage ein, warum das Kreuz das Symbol des Christentums ist: "Nicht weil Christinnen und Christen an den Tod glauben, sondern weil sie glauben, dass Gott auch diese Realität wandeln kann." Den Karfreitag, verbunden mit menschlichen Abgründen von Verlassenheit, einem "erbarmungslosen Räderwerk von Verleumdung und Hass", von einem institutionellen Verfahren voller Willkür, "können wir nicht einfach streichen", hielt Scheuer in seinem Gastkommentar fest. "Genauso wenig dürfen wir jedoch die Hoffnung aufgeben, dass Gott unsere Lebenspläne auch auf Gutes und Neuanfänge hin ändern kann."
Der Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück, der erst kürzlich das Buch "Crux - Über die Anstößigkeit des Kreuzes" veröffentlicht hat, legt in der "Presse" (7. April) Überlegungen zum Thema "Was aber fehlt, wenn das Kreuz fehlt?" vor. Er wendet sich gegen eine "Politik der weißen Wand", vertreten von "säkularen Zeitgenossen mit christlichem Sozialisationshintergrund, die zu der eigenen Tradition auf Distanz gehen und im Namen interreligiöser Toleranz fordern, auf Kreuze zu verzichten". Sie würden auf die Ambivalenz des Symbols verweisen, die politische oder militärische Instrumentalisierung des Kreuzes kritisieren oder einwerfen, "dass eine überzogene Passionsfrömmigkeit zur pathologischen Überhöhung des Leidens beitragen und eine geistliche Ideologie des Gehorsams fördern kann".
Dazu Tück: Es sei Aufgabe der Theologie, solche "Verzeichnungen" zurechtzurücken und die Passion als Hingabe bis ins Äußerste zu erläutern. "Die Auferstehung des Gekreuzigten aber reißt einen Horizont der Hoffnung auf, der quersteht zu resignativen oder apokalyptisch gefärbten Einstellungen."
Quelle: Kathpress