
Theologin: Bei Gender-Thema nicht kirchliche "Ideologiekeule" schwingen
Einen kirchlichen Nachholbedarf bei der Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und -fragen ortet die Salzburger Moraltheologin Prof. Angelika Walser. Das kirchliche Beharren auf einem "starren Muster 'weiblich' oder 'männlich'", in dessen Bahnen die menschliche Geschlechterentwicklung ablaufe, sei nicht nur wissenschaftlich überholt, sondern es tauge auch nicht mehr zu "moralischen Verurteilungen" und Diffamierungen, wie sie aus einer kirchlich-despektierlichen Rede von "Gender-Ideologie" spreche. Das betonte die katholische Theologin in einem Gastbeitrag in der Wochenzeitung "Die Furche". "Für die traditionelle katholische Sexualmoral ist die Zeit simplifizierender Eindeutigkeiten zu Ende" - und es verbiete sich daher auch, den Gender-Begriff als "Ideologiekeule" zu benutzen.
"Nahezu unausweichlich" sei laut Walser vor dem Hintergrund humanwissenschaftlicher Einsichten ein "Perspektivwechsel weg von zwei Geschlechtern hin zu geschlechtlicher Vielfalt". Das müsse Christen heute nicht mit Angst erfüllen und auch nicht zu "Verteufelungen" führen, wie dies immer wieder aus dem Mund von Amtsträgern zu hören sei, führte Walser aus: "Statt die Ideologiekeule zu schwingen, wäre es nach guter katholischer Tradition hoch an der Zeit, die wissenschaftliche Nachhilfelektion zu lernen und sich im Übrigen in Demut zu üben."
Beispiele für die Nutzung des Gender-Themas als "Ideologiekeule" gebe es zahlreiche: Nicht zuletzt Papst Franziskus warne in "Amoris Laetitia" vor einer "Gender-Ideologie" als Form der Leugnung der natürlichen Zuordnung von Mann und Frau. Auch die Verweigerung des "Nihil obstat" (kirchliche Lehrbefugnis) für den Brixner Moraltheologen Martin Lintner lasse sich vor dem Hintergrund von Lintners Plädoyer für eine Veränderung der kirchlichen Sexualmoral deuten. Im Hintergrund der kirchlich gehegten Vorbehalte und Ängste ortet Walser eine verkürzte Rezeption der Schriften der US-Philosophin Judith Butler, die bereits 1990 über "Gender-Troubles" publizierte und auf die Bedeutung des sozialen Geschlechts und die Wirkmacht sozialer Zuschreibungen und Geschlechterrollen hingewiesen hatte.
Walser hatte sich zuletzt bei den heurigen "Innsbrucker Theologischen Sommertagen" zu dem Thema geäußert, die dem Thema "Körper:Gender:Sexualität als Chance für die Theologie" gewidmet waren. Am Rande der Veranstaltung hatte sie gemeinsam mit Innsbrucker Theologen in einem theologischen Podcast-Gespräch ebenso dazu aufgerufen, die Gender-Debatte in der Theologie ohne Vorbehalte zu führen. (Infos bzw. Podcast: https://diesseits.theopodcast.at/theologie-gender-geschlecht-sexualitaet)
Quelle: kathpress