Autor Josef Winkler: "Ohne Kirche wäre aus mir nichts geworden"
Seine religiöse Sozialisierung in der kleinen Ortschaft Kamering nahe dem Millstätter See bildete laut dem vielfach ausgezeichneten Kärntner Schriftsteller Josef Winkler den Stoff für viele seiner Bücher. "Ohne katholische Kirche wäre aus mir nichts geworden", sagte er am Mittwoch im Grazer Rathaus bei einem Gespräch über die Rolle der Religionen in Kunst und Kultur. Diese Prägung spiele nicht nur inhaltlich, sondern auch formal eine Rolle in seinem Schaffen, verwies Winkler auf "litaneihaftes Schreiben" mit dem Aufgreifen immer wieder derselben Motive aus unterschiedlicher Perspektive. Er selbst sei zwar nicht religiös oder gläubig, aber er "spüre mit Ehrfurcht", wie der Autor formulierte.
Religionen vermögen es, die Phantasie anzuregen und zum Nachdenken anzuregen, ihre Themen seien im Grunde Fragen des Miteinanders, sagte Winkler, der sich u.a. auch mit Ritualen des Hinduismus beschäftigte. Zugleich könnten von Religionen geschürte Schuld und Angstgefühle auch einschränken und verhindern, dass die Religion ihr kreatives Potenzial entfaltet, weil sich die Menschen dann nicht trauen würden, neue Horizonte zu entdecken. Winkler zitierte dazu ein Wort des französischen Dichters Jean Genet: "Blasphemie ist ein anderer Zugang zu dem, was heilig ist." Mut zur Blasphemie sei somit notwendig - freilich Blasphemie nicht im Sinne von Verachtung, sondern als alternative Form der Annäherung.
In den Religionen geht es letztlich um Würde, nicht um Unterwerfung und Schuldgefühle, sagte der Schriftsteller im Rahmen einer Fachtagung, die anlässlich des Jubiläums "10 Jahre Grazer Erklärung zum interreligiösen Dialog" am Dienstag und Mittwoch im Grazer Rathaus stattfand.
Der 70-jährige Winkler beschreibt in seinen Büchern - ausgehend von autobiografischen Erfahrungen - Probleme, die sich in einer patriarchal und katholisch geprägten Welt stellen. 2007 wurde er mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet, 2008 folgte der Georg-Büchner-Preis und 2009 das Ehren-Doktorat der Universität Klagenfurt.
Kunst und Kirche verbindet vieles
Zum Programmpunkt "Religionen in Kunst und Kultur" äußerte sich auch Alois Kölbl, Hochschulseelsorger in der KHG Graz und Kunsthistoriker. Er sprach der Kunst das Vermögen zu, der "manchmal etwas hinterherhinkenden Institution" Kirche die Augen zu öffnen. Beide Bereiche - Religion wie auch Kunst - verbinde die Frage nach dem Existenziellen. Beide sollten einen Dialog auf Augenhöhe führen, wünschte sich Kölbl. Es brauche "Kunst, die sich was traut, ... die nicht besänftigt und nur das Alte weiterschreibt". Kirchlicherseits gelte es Scheuklappen abzulegen: "Wir halten oft Dinge für blasphemisch, die es gar nicht sind."
Zur Frage, ob christliche Kunst heute obsolet geworden sei, meinte der Experte: Dies sei nur der Fall, wenn sie sich in ein abgesondertes Feld abseits der aktuellen Gesellschaft zurückzieht. Als gelungenes Beispiel für Brückenschläge zwischen Christentum und zeitgenössischer Kunst nannte Kölbl die regelmäßige Einladung von Kunstschaffenden in der Grazer Pfarrkirche St. Andrä. Die Vorgabe sei dabei nicht, sich mit religiösen Themen auseinandersetzen, sondern den Dialog des Kirchenraumes mit gesellschaftsrelevanten Themen zu ermöglichen. Im sakralen Raum sei nicht alles möglich, durch solche Begegnungen werde er aber zu einem "Raum der Möglichkeiten", so der Hochschulseelsorger, der selbst in der QL-Galerie im Grazer "Quartier Leech" Kirche und Kunst zueinanderführt.
Quelle: kathpress