Scheuer: Für Europawahl keine Partei-Empfehlung, wohl aber Kriterien
Die österreichischen Bischöfe vertrauen mit Blick auf die Europawahl im kommenden Juni auf die "Mündigkeit und Urteilskraft der Wählerinnen und Wähler und geben keine Wahlempfehlung ab; wohl aber gebe es Kriterien, die es beim Urnengang zu berücksichtigen gelte. Der Linzer Bischof Manfred Scheuer nannte am Freitag in Wien in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz etwa das Hochhalten von Menschenrechten und Menschenwürde, das Ernstnehmen der Klimakrise und der Interessen nachkommender Generationen, Bereitschaft zur Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft und die Beachtung rechtsstaatlicher Standards. Das Wichtigste für die Demokratie sei, das Wahlrecht zu nützen und die Stimme abzugeben.
Scheuer äußerte sich bei einer Pressekonferenz im Club Stephansplatz 4, bei der er von der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz von 4. bis 7. März im Kärntner Stift St. Georgen/Längsee und den dort gefassten Beschlüssen berichtete. Eine der vier Erklärungen war der in Österreich am 9. Juni 2024 durchgeführten Wahl des Europäischen Parlaments gewidmet, bei der es nach Überzeugung der Bischöfe Solidarität und Demokratie zu stärken gilt. Bischof Scheuer sieht die Demokratie heute durch "Blasenbildung" in den sozialen Medien gefährdet. Dadurch nehme Polarisierung zu, Debatten über gesellschaftlich wichtige Themen würden zunehmend in den virtuellen Bereich verlagert statt öffentlich ausgetragen.
Europa stehe für Frieden, für Solidarität und für Demokratie - und das muss nach den Worten Bischof Scheuers ständig neu erarbeitet werden. Im Interview mit dem ORF und Kathpress am Rande der Pressekonferenz mahnte er im Blick auf die bevorstehenden Europawahlen auch Dankbarkeit dafür ein, was in der Vergangenheit in Europa gelungen sei. Von dieser positiven Grundeinstellung heraus sei es dann notwendig, "gerade mit denen solidarisch zu sein, die zu kurz kommen, die zu wenig haben oder die keine Chancen haben oder die ausgegrenzt sind".
Österreich habe eine lange Tradition als Brücke zwischen Ost und West, so der Bischof weiter. Diese Aufgabe gelte es auch in Zukunft zu übernehmen. Scheuer rief auch zu verstärkter humanitärer Hilfe für die Ukraine auf. Auch hier sollte Österreich eine Vorreiterrolle spielen.
Christliche Werte
Darauf angesprochen, dass so manche politischen oder gesellschaftlichen Kräfte zwar von der "Verteidigung christlicher Werte" Europas sprechen, sich dann aber sehr "unchristlicher Mittel" bedienten, meinte Scheuer, dies sei ein Widerspruch in sich. Man könne etwa Freiheit nicht mit Zwang durchsetzen oder auch nicht Gerechtigkeit einfach mit Gewalt. Es brauche die Bereitschaft zu Kompromissen und zur Versöhnung, ein Aufeinander-Hören und auch die Bereitschaft, Fehler einzugestehen.
Scheuer rief die Österreicherinnen und Österreicher auch im Namen aller heimischen Bischöfe auf, "sich an den Wahlen für Europa zu beteiligen, die Demokratie und auch die Solidarität, das Miteinander zu stärken".
Antisemitismus und Nahost-Konflikt
Vor dem Hintergrund des gewaltsamen Konflikts im Heiligen Land - dem eine weitere Erklärung der Bischöfe gewidmet war - zeigte sich der in der Bischofskonferenz für den Kontakt zum Judentum zuständige Linzer Bischof bei der Pressekonferenz besorgt über den zunehmenden Antisemitismus im rechten wie auch im linken politischen Spektrum. Scheuer betonte das Recht Israels auf Sicherheit und Selbstverteidigung, distanzierte sich aber vom Wort "Kollateralschaden" bei der militärischen Reaktion auf den Terror der Hamas. Für Israels Regierung müssten dieselben Standards hinsichtlich Menschenrechten und Völkerrecht gelten wie für jeden anderen Staat auch, erklärte der Bischof.
Bischof Scheuer vertrat bei der Pressekonferenz in Wien den Salzburger Erzbischof Franz Lackner; der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz war aufgrund der Trauerfeierlichkeiten für seinen am 22. Februar mit 86 Jahren verstorbenen Vorgänger Erzbischof Alois Kothgasser verhindert. Scheuer war dem Verstorbenen, wie er erzählte, eng verbunden; von Kothgasser empfing er 2003 die Bischofsweihe und lernte ihn danach u.a. bei gemeinsamen ökumenischen Besuchen schätzen.
Quelle: kathpress