Schönborn leitet Requiem für Brigitte Bierlein am 14. Juni
Mit einem feierlichen Requiem am 14. Juni im Wiener Stephansdom nimmt Österreich Abschied von Brigitte Bierlein. Die erste Bundeskanzlerin Österreichs und erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes war am Montag kurz vor ihrem 75. Geburtstag verstorben. Wie das Bundeskanzleramt mitteilte, werde die Trauerfeierlichkeit ein "staatliches Begräbnis" sein. Kardinal Christoph Schönborn wird der Messe für die Verstorbene um 11 Uhr vorstehen, bei der die Spitzen der Republik anwesend sein werden. Im Rahmen der Trauerfeier im Dom werden auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer und Verfassungsgerichtshofpräsident Christoph Grabenwarter das Wort ergreifen.
Die sterbliche Hülle Bierleins wird am selben Tag um 7 Uhr morgens beim Stephansdom eingeholt und dort aufgebahrt. Die Feier leitet Dompfarrer Toni Faber. Im Anschluss ist der Stephansdom für alle bis 10 Uhr geöffnet, die von der Verstorbenen Abschied nehmen wollen. Die Beisetzung Bierleins findet im Anschluss an das Requiem in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof statt. Diese Feier leitet der Pfarrer von Ober St. Veit, Stefan Reuffurth, der Bierlein bis zuletzt geistlich begleitet hatte.
Anteilnahme und Dankbarkeit
Kardinal Schönborn hatte am Montag unmittelbar nach Bekanntwerden der Todesnachricht seine "große Anteilnahme" bekundet. Er habe um die schwere Krankheit, welche Bierlein ertragen habe, gewusst und sei mit ihr "in großer Dankbarkeit für ihr großartiges Wirken für das Gemeinwohl und den Zusammenhalt in Österreich verbunden", sagte der Wiener Erzbischof gegenüber Kathpress.
Dankbar sei er einerseits für Bierleins Wirken als erste Bundeskanzlerin des Landes und als erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes. "Bierlein hat in einer schwierigen politischen Situation unseres Landes das Amt der Bundeskanzlerin und damit für ganz Österreich Verantwortung übernommen", spielte Schönborn auf Bierleins Bereitschaft an, nach der Abwahl der Regierung Kurz I im Gefolge der "Ibiza-Affäre" im Auftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Kanzlerin die Übergangsregierung zu leiten. "Dass sie am fünften Jahrestag ihrer Angelobung starb, ist ein Zeichen der Mahnung, dass alle Kräfte des Landes zusammenwirken sollen für das Gemeinwohl", so der Kardinal.
Mit ihrer Person und ihrem Einsatz an der Spitze des Verfassungsgerichtshofes - von 2003 bis 2018 als Vizepräsidentin und von Februar 2018 bis zu ihrer Ernennung zur Bundeskanzlerin am 3. Juni 2019 als Präsidentin - stehe die kurz vor ihrem 75. Geburtstag Verstorbene zudem auch "für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als hohe Güter, die des gemeinsamen Einsatzes aller Kräfte der Gesellschaft bedürfen", unterstrich Schönborn.
Ein besonderer Dank seitens der Kirche gebühre Bierlein für ihre langjährige ehrenamtliche Tätigkeit für die Unabhängige Opferschutzkommission, betonte der Kardinal. Bierlein gehörte der "Klasnic-Kommission" seit der Gründung im April 2010 an. Auch der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, hatte in einer Stellungnahme das Wirken Bierleins "für ein rechtsstaatliches und gerechtes Österreich" und ihren Einsatz in der Klasnic-Kommission gewürdigt. "Für diesen langjährigen Dienst an der Wahrheit und Gerechtigkeit darf ich im Namen der ganzen Kirche Österreichs tiefen Dank ausdrücken", so der Salzburger Erzbischof.
Mehrfache Pionierin
Brigitte Bierlein wurde am 25. Juni 1949 in Wien geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien in Mindestzeit und war danach Richterin in Wien und Staatsanwältin. Ab 1987 war sie in der Strafrechtssektion des Bundesministeriums für Justiz tätig und kehrte anschließend wieder zur Oberstaatsanwaltschaft Wien zurück. 1990 wurde sie die erste Frau im Amt des Generalanwalts in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof und war dort auch stellvertretende Leiterin.
2002 wurde Bierlein von der Bundesregierung als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und zugleich - als erste Frau - als dessen Vizepräsidentin vorgeschlagen und von Bundespräsident Thomas Klestil mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2003 dazu ernannt. 2018 wurde sie von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes ernannt - wiederum als erste Frau. Dieses Amt legte sie 2019 wegen des Grundsatzes der Inkompatibilität vor ihrer Angelobung als Bundeskanzlerin zurück, die am 3. Juni 2019 mit der Bildung einer Übergangsregierung erfolgte. Vorausgegangen war die Krise durch die "Ibiza-Affäre", wegen der der Nationalrat der türkis-blauen Bundesregierung unter Sebastian Kurz das Misstrauen ausgesprochen hatte.
Nach der vorgezogenen Nationalratswahl im Herbst 2019 endete die Kanzlerinnenschaft der parteilosen Brigitte Bierlein am 7. Jänner 2020 mit der Angelobung des Kabinetts Kurz II. 2021 wurde sie mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Am Montag erlag sie einer kurzen, schweren Erkrankung.
Quelle: kathpress