St. Florian: Tagung würdigt Orientalistik-Pionier Stieglecker
Die Verdienste von Hermann Stieglecker (1885-1975), Priester und Pionier des islamisch-christlichen Dialogs im deutschen Sprachraum, sind in seinem Heimatkloster St. Florian gewürdigt worden. Der Augustiner-Chorherr habe sich zeitlebens dafür eingesetzt, "den Islam zu sehen, wie ihn die Muslime sehen", und habe mit seiner Forschung und den Kontakten zu Kardinal Franz König (1905-2004) die Erklärung "Nostra Aetate" wesentlich mitbeeinflusst. Das legte der Wiener Orientalist und Biograf Philipp Bruckmayr bei der am Dienstag beendeten Tagung zum Thema "Monotheismus - Interreligiöse Gespräche im Umfeld moderner Gottesfragen" dar.
Stieglecker gab 1959 das 800-seitige Werk "Die Glaubenslehren des Islams" heraus. Das Sprachengenie - er beherrschte über 60 Sprachen - forderte darin ein Überdenken christlicher Dogmen: Nötig sei es, "Schwächen unserer bisherigen Beweisführung [...] auszuklammern und eine völlig neue Apologetik aufzubauen, die dem Geist des Islam und den tausendjährigen Gedankengängen der Mohammedaner Rechnung trägt." Der St. Florianer Priester, der die Notwendigkeit einer Verständigung zwischen den Religionen sah, wurde laut Bruckmayr von Kardinal König in Rom bekannt gemacht und trug wesentlich dazu bei, dass die Konzilsväter die zunächst heftig umstrittene Erklärung über den Dialog mit den Weltreligionen überzeugend annahmen.
Aufgrund seines Sprachkenntnisse habe sich Stieglecker schon in den 1930er-Jahren ausschließlich auf Originaldokumente und keine Sekundärliteratur bezogen, berichtete Bruckmayr, der dafür umfassende Recherchen in der Bibliothek und im Archiv des Stiftes durchgeführt hatte. Stiegleckers Pionierleistung sei die Forderung eines Dialogs auf Augenhöhe gewesen. So schrieb er bereits 1935: "Ohne diese Kenntnis, ohne dieses liebevolle Einfühlen werden wir dem Islam niemals nahekommen vermögen, ohne dieses Einfühlen verfehlt der gutgemeinte Händedruck seine Wirkung, geht der abwehrende Hieb ins Leere." Stieglecker widersprach dabei auch der Ansicht seiner Zeit, der Islam sei "im langsamen Aussterben begriffen".
Bruckmayr zeichnet in seiner Stieglecker-Biografie das Bild eines bewegten Lebens als Seelsorger und Wissenschaftler: Geboren 1885 in Reichraming (OÖ), wurde Stieglecker nach dem Staatsgymnasium in Linz und dem Theologiestudium 1908 zum Priester geweiht. Da man sein Sprachtalent erkannte, erhielt er einer Sondergenehmigung, "auch verbotene Bücher lesen zu dürfen". Er studierte in Wien Orientalistik, unterrichtete ab 1927 in St. Florian an der Hausanstalt das bereits seit 1844 gelehrte Fach "Arabisch für Theologen inklusive Koranlektüre" sowie Altes Testament. Als 1929 die umfangreiche arabische Bibliothek seines Lehrers Rudolf Geyer nach St. Florian kam, wurde dies die Basis seiner Forschungen.
In Prälat Vinzenz Hartl fand Stieglecker einen besonderen Förderer, wodurch die bis heute in vielen Sprachen erhaltene Büchersammlung immer wieder erweitert wurde. Nach dem Krieg kehrte er mit den Chorherren zusammen wieder in das Stift zurück und kaufte viele Bücher in Sanskrit und Chinesisch. Noch auf dem Totenbett hatte Stieglecker die "Mao-Bibel" liegen, interessierte sich für Marxismus und war ein Kritiker des Eurozentrismus und der Ignoranz anderen Kulturen gegenüber. Er äußerte sich zeitlebens gegen den "plumpen Antisemitismus" und sah den Islam als "Verbündeten, sich jenen Kräften zu widersetzen, die Religionen verschwinden lassen wollen".
Der St. Florianer Propst Johann Holzinger verwies zur Einleitung der gemeinsam mit dem Institut für Orientalistik der Universität Wien ausgetragenen Stieglecker-Tagung auf den "Nährboden", welchen Stieglecker in St. Florian aufgrund des lange bestehenden Arabistik-Schwerpunktes gefunden habe. So sei dem Ordensmann ein pionierhaftes Weiterwirken möglich gewesen. Viele der Worte des verstorbenen Mitbruders, den Holzinger und einige anwesende Ordensmitglieder selbst noch erlebt hatten, würden "genau in unsere heutige Zeit passen" und seien eine "Bekräftigung des Dialogs auf Augenhöhe", so der Propst.
Quelle: kathpress