Theologe: Kreuz muss weiterhin im öffentlichen Raum Platz haben
Das Kreuz als religiöses Symbol muss auch weiterhin im öffentlichen Raum seinen Platz haben. Das hat der Wiener Theologe Prof. Jan-Heiner Tück eingemahnt. Er äußerte sich im Interview der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt" (aktuelle Ausgabe; Mittwoch). Um religionspolitische Konflikte zu vermeiden, müsse man sorgfältig mit der Frage umgehen, wann und wo Kreuze aufgehängt werden, so Tück. Er glaube allerdings, "dass es nicht die Aufgabe des weltanschaulich-neutralen Staates sein kann, religiöse Symbole im Namen einer falsch verstandenen Toleranz ganz verschwinden zu lassen". Er sei "gegen eine Politik der weißen Wand, die letztlich auf eine Privilegierung der Religionslosen im öffentlichen Raum hinausläuft".
Die negative Religionsfreiheit sollte nicht stärker betont werden als die positive. "Es muss auch öffentliche Orte geben, wo religiöse Akteure ihren Glauben symbolisch zum Ausdruck bringen, um an Werte und Überzeugungen zu erinnern, die schließlich allen zugutekommen", forderte der Theologe. Nachsatz: "Ohne das Kreuz als Zeichen der Caritas könnte die soziale Temperatur in der Gesellschaft kälter werden."
Tück äußerte sich anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Buches "Crux - Über die Anstößigkeit des Kreuzes". Im Blick auf die Motivation zu seinem Buch verwies der Theologe auf die Universität Wien, wo seit einigen Jahren auch in jenen Hörsälen, die von der Katholisch-Theologischen Fakultät genützt werden, keine Kreuze mehr angebracht werden dürfen. Tück: "Ich wollte die weiße Wand nach dem Verschwinden der Hörsaalkreuze an der Uni Wien nicht einfach beklagen, sondern zu einem produktiven Ort machen. Mir war wichtig zu zeigen, dass das Kreuz nicht nur in der Theologie, sondern auch in Kunst, Literatur und Philosophie vielfältige Deutungen gefunden hat, die uns zu denken geben."
Den schon im Titel aufgegriffenen Gedanken der Anstößigkeit des Kreuzes fasste Tück im Interview so zusammen: "Wir haben uns so an die Präsenz von Kreuzen gewöhnt, dass wir den Skandal von Golgota kaum noch wahrnehmen. (...) In der Skala der Todesstrafen im Römischen Reich war die Hinrichtung am Kreuz Sklaven und Schwerstverbrechern vorbehalten. Dass in dieser totalen Erniedrigung Jesu Christi Rettung und Heil aller Menschen liegen soll, war und ist ein provozierender Gedanke."
Anstöße des Kreuzes
Die öffentliche Präsenz des Kreuzes erinnere an die eigenen christlichen Wurzeln und biete zudem viel theologische Anstöße: "Die Erinnerung an das Leiden Christi gibt erstens den Anstoß, das Leid der anderen nicht zu verdrängen und die eigene Verwundbarkeit nicht zu vertuschen." Darin stecke der Appell, sich mit den Armen zu solidarisieren und Unrecht praktisch zu bekämpfen.
Das Kreuz sei zweitens "Spiegel der Schuld. Es deckt das Böse auf, das auch in uns als dunkle Möglichkeit schlummert. Wir sind nicht so perfekt, wie wir vor anderen und vor uns selbst gerne wären."
Das Kreuz stehe drittens für eine Kultur der Vergebung. Tück: "Jesus hat Feindesliebe nicht nur gepredigt, sondern selbst bis in den Tod hinein eingelöst." Statt andere auf ihre Fehler zu fixieren, gelte es, ihnen einen Raum der Umkehr und des Neubeginns offen zu halten. "Ein Denken in Freund-Feind-Schemata kann sich nicht auf Jesus berufen. Das Kreuz erinnert an die rettende und erlösende Kraft der Passion Christi und ist Zeichen für den österlichen Durchbruch zu einem Leben, das keinen Tod mehr kennt", so der Theologe.
(Jan-Heiner Tück: "Crux - Über die Anstößigkeit des Kreuzes", Herder Verlag, 2023)
Quelle: kathpress