20 Jahre "Sozialwort" der Kirchen in Österreich
Vor 20 Jahren, am 1. Adventsonntag 2003, wurde das "Sozialwort" des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) veröffentlicht. Es wurde von allen 14 damaligen ÖRKÖ-Mitgliedskirchen unterzeichnet. Zum Jubiläum wird das "Sozialwort" mit der Impuls-Reihe "Sozialwort 20+" fortgeschrieben. In Gottesdiensten in ganz Österreich geben Gäste aus jeweils anderen Kirchen kurze aktuelle Impulse zu wesentlichen Themen des "Sozialworts" bzw. greifen auch neue Themen auf, die vor 20 Jahren noch nicht im Fokus standen.
Die nächste "Gastpredigt" findet am dritten Adventsonntag, 17. Dezember, in der Wiener Pfarre Breitenfeld (1080, Florianigasse 70) statt. Dem Gottesdienst steht Pfarrer Gregor Jansen vor, Gastprediger ist der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist. Seine Predigt steht unter dem Motto "Ein Kompass der Freiheit".
Kompass für solidarische Gesellschaft
Die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler hat dieser Tage in einem ORF-Beitrag das "Sozialwort" gewürdigt. Das "Sozialwort" verstehe sich als Kompass in einer Gesellschaft, die sich schon vor 20 Jahren in einem umfassenden Wandel befand: besonders in den Bereichen Bildung, Medien, Arbeit, Wirtschaft, soziale Sicherheit und Ökologie, so Bachler. Sie ist u.a. auch stellvertretenden ÖRKÖ-Vorsitzende. Das ökumenische "Sozialwort" solle den Weg bahnen, in einer solidarischen Gesellschaft zu leben.
Das "Sozialwort" benenne etwa die soziale Ungerechtigkeit, wonach Frauen die Hauptlast der Arbeit in Familie und Wirtschaft tragen, jedoch weniger als Männer verdienten. Und Frauen verfügten seltener über Besitz und Vermögen, so die Oberkirchenrätin.
Das "Sozialwort" habe bereits vor 20 Jahren auf die Gefahr von Armut trotz Erwerbsarbeit hingewiesen und davor gewarnt, Migrantinnen und Migranten als billige Erwerbsarbeitskräfte zu sehen. Oft würden Saisonarbeiter und Saisonarbeiterinnen behandelt, als wären sie eine Sache. Festgestellt wurde auch schon damals, dass 20 Prozent der Bevölkerung rund drei Viertel der Ressourcen verbrauchen.
Bachler: "Wenn Menschen heute über die Relevanz der Kirchen diskutieren, so finde ich es bemerkenswert, dass die Kirchen schon vor 20 Jahren von der Option für die von Armut betroffenen Menschen sprachen, deren Stimme sie sein wollen. Sie sprachen schon damals davon, die Würde, und das Wohl jedes Menschen zu achten, und Defizite laut und deutlich auszusprechen. Bei diesem Thema empfinde ich manchen Gedanken des 'Sozialworts' als fortschrittlicher als wir es jetzt zwei Jahrzehnte später erleben."
Das "Sozialwort" benenne auch die Themen Frieden und Gerechtigkeit ganz klar. Es stelle aber auch die Frage, unter welchen Bedingungen Christinnen und Christen die Anwendung von Gewalt als letztes Mittel erlaubt sei, "oder ob die Kirchen vom Evangelium Jesu Christi her aufgerufen sind, militärischer Gewalt ausnahmslos abzusagen".
"Eine aufmerksame Relecture wert"
Das "Sozialwort" war vor seiner Veröffentlichung 2003 in einem vierjährigen Prozess mit mehr als 1.000 Einzelpersonen, gut 100 Organisationen und einem Team der Katholischen Sozialakademie (ksoe) erstellt worden. Der aktuelle Direktor der ksoe, Markus Schlagnitweit, hat in einem Beitrag für die Zeitschrift "Interesse. Soziale Information" betont, dass die Inhalte des "Sozialworts" auch heute noch unverändert aktuell und einer aufmerksamen Relecture wert seien.
Natürlich würden aber manche Schwerpunkte 2023 anders gesetzt: Das Kapitel 6 "Frieden in Gerechtigkeit" würde vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wohl anders akzentuiert, ebenso das Kapitel "Soziale Sicherheit" mit den Erfahrungen der Covid-Pandemie. Das Kapitel 8 "Zukunftsfähigkeit: Verantwortung in der Schöpfung" würde vermutlich mit einer noch viel höheren Dringlichkeit versehen, und vielleicht würde ein angepasstes "Sozialwort" um ein Kapitel erweitert, das sich der Krise und Weiterentwicklung der Demokratie widmet, so Schlagnitweit.
Weiters betonte der ksoe-Direktor, dass im "Sozialwort" am Ende jedes Kapitels auch Selbstverpflichtungen der Kirchen angeführt sind: "Die Kirchen erklären sich damit ausdrücklich mitverantwortlich für die Entwicklung und Ausgestaltung einer humanen, gerechten und solidarischen Gesellschaft - sowohl mit Blick auf die eigenen Strukturen und praktischen Schwerpunktsetzungen als auch im Sinne anwaltlichen (gesellschafts-)politischen Engagements und politischer Einmischung."
"Sozialwort 20+"
Das aktuelle Projekt "Sozialwort 20+" ist zumindest bis zur Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Jänner 2024) anberaumt. Die Impulse werden dokumentiert bzw. aufgezeichnet und sind im Anschluss auch über die Website des ÖRKÖ (www.oekumene.at) abrufbar. Die gesammelten Impulse sollen abschließend in einer Broschüre gemeinsam mit einigen begleitenden Aufsätzen von Theologinnen und Theologen und anderen Expertinnen und Experten veröffentlicht werden.
(Alle Infos zum Projekt bzw. das "Sozialwort" und die Broschüre "Solidarische Gemeinde" sind über die Website des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich abrufbar: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress