"Ehe für alle": Experten fordern gesetzliche Lösung
Es braucht eine rasche gesetzliche Lösung, um Unsicherheiten beim Thema "Ehe für alle" zu beseitigen: Darauf haben sich Experten aus Politik und Kirche bei der Podiumsdiskussion "Ehe für alle - Rechtspolitische Konsequenzen aus dem Erkenntnis des VfGH" am Donnerstag in Wien geeinigt. Keinen gemeinsamen Nenner gab es bei der Frage, wie die Rechtsgebung reagieren solle: Stephanie Merckens vom kirchlichen "Institut für Ehe und Familie" und FP-Nationalrätin Susanne Fürst setzten sich für ein Festhalten am Rechtsinstitut der Ehe für Mann und Frau - bei gleichzeitiger Öffnung der Eingetragenen Partnerschaft für heterosexuelle Paare - ein. SP-Nationalrat Harald Troch und der Jurist Helmut Graupner forderten die Öffnung der Ehe für alle Paare sowie eine Debatte über ein neues Ehegesetz.
Im Dezember 2017 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die unterschiedlichen Regelungen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare mit Ende 2018 aufgehoben. Um dem Erkenntnis des Höchstgerichtes zu entsprechen, reiche die Öffnung der (bislang Homosexuellen vorbehaltenen) Eingetragenen Partnerschaft für alle Paare, während die Öffnung der "Ehe für alle" davon nicht unbedingt abzuleiten sei, so die Juristin Merckens. Auch auf diese Weise könne das vom VfGH beanstandete "automatische Outing" auf Urkunden durch die Angabe einer der noch bestehenden beiden Rechtsinstitute ausgeschlossen werden. Denn, so Merckens, nicht die Ehe für Mann und Frau diskriminiere, sondern die "Ausschließlichkeit der eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Paare".
Als Hauptargument für die Beibehaltung der Ehe in ihrer bisherigen Form bezeichnete Merckens die im Ehevertrag festgelegte Absicht, Nachkommen zu zeugen. Eine gleichgeschlechtliche Eingetragene Partnerschaft habe "ähnliche Intentionen" wie etwa gegenseitige Unterstützung oder rechtliche Absicherung, "aber nicht die gleichen Konsequenzen", spielte die Juristin auf die Frage der Kinder an.
Erfreut über "mehr Wahlfreiheit für verschieden geschlechtliche Paare" durch die Möglichkeit einer Eingetragenen Partnerschaft zeigte sich auch der Jurist Graupner, der allerdings auf die "Ehe für alle" bestand: Kinder homosexueller Paare, adoptiert oder durch Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gezeugt, würden ohne völliger Öffnung weiterhin "unehelich" und somit diskriminiert bleiben, so der Präsident des Homosexuellen-Rechtskomitees "Lambda".
Kritik am Verfassungsgerichtshof, der mit seinem Urteil einer Politdebatte "vorgegriffen" und sich gesellschaftlich betätigt habe, äußerte FPÖ-Parlamentarierin Fürst. Die Ehe sei ein naturrechtlicher Begriff, ein gesellschaftlicher Grundpfeiler und eine christlich-abendländische Tradition, die aus ihr entstammenden leiblichen Kinder seien "im Interesse des Staates". Darin unterscheide sich die Ehe von der Eingetragenen Partnerschaft, der laut Fürst der "Familiengedanke" und das "Element der gemeinsamen Kinder" fehle.
SP-Vertreter Troch plädierte erwartungsgemäß für die Ehe-Öffnung: Der Staat solle "menschliche Bindungen stärken" und allen Paaren "gesellschaftliche Absicherung und gesetzlich geregelten Beistand" bieten. Das Argument der "gemeinsamen Kinderzeugung" sei überholt, das Verständnis von "Kindern als Interesse des Staates" ein unnötiges Relikt aus Zeiten, als junge Menschen zur "Erhaltung des Lebensraums" gebraucht worden seien. Ein "modernes Eherecht" habe auch Fragen wie das Mindestalter für Ehen, Verlöbnis, Scheidung, Unterhalt und die Verpflichtung zur Treue an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen. Mit der Forderung, die Öffentlichkeit müsse bei einer Lösungsfindung mitreden, stieß Troch auf Zustimmung der Mitdiskutanten.
Quelle: kathpress