
Scheuer: Aufbrechen von Antijudaismus bleibende Aufgabe der Kirche
Das Aufbrechen des jahrhundertelang gepflegten Antijudaismus durch die Kirche ist für den Linzer Bischof Manfred Scheuer "eine bleibende Aufgabe": "Die Kirche sieht ihre unsagbaren Verstrickungen und ihren Anteil von Schuld am Antisemitismus der Nationalsozialisten". Diese Mitschuld "kann nicht ungeschehen gemacht werden", betonte Scheuer, in der Österreichischen Bischofskonferenz für den Kontakt zum Judentum und das Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten zuständig, in einer Aussendung am Freitag anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
"Der Gedenktag an die Opfer der Shoah ist für Christen verbunden mit dem Eingedenken in die Verstrickung in Schuldzusammenhänge des Antisemitismus", hielt Scheuer fest. Die Jahrhunderte lang tradierten antijüdischen Stereotypen in der Theologie, vor allem die Anklage des Gottesmordes, hätten bei Christen zu einem Gefühl der Selbstgerechtigkeit und einer Mentalität, die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und später dem Tod preisgegebenen Opfern des nationalsozialistischen Regimes, beigetragen, so der Bischof.
"Das Bewusstsein der Glaubenssolidarität der Christen mit den Juden war nicht oder viel zu wenig vorhanden. Und es gab zu wenig, viel zu wenig Gerechte", betonte der Bischof. "Politische Naivität, Angst, eine fehlgeleitete Theologie, die über Jahrhunderte hinweg die Verachtung des jüdischen Volkes gelehrt hatte, und mangelnde Liebe haben viele Christen damals veranlasst, gegenüber dem Unrecht und der Gewalt zu schweigen, die jüdischen Menschen in unserem Land angetan wurden."
Die Kirche trage den Antijudaismus als mahnenden Teil ihrer Geschichte mit. Das Aufbrechen dieser Strukturen ist eine bleibende Aufgabe und kann nicht ungeschehen gemacht werden. "Es bleibt: Sie verantwortet dunkle Nacht. Diese Verantwortung kann sich die Kirche nicht entziehen, kann sich die Gesellschaft nicht entziehen", so der Bischof.
Aktuell bleibe das Übel des Antisemitismus leider weiterhin, so Scheuer: "Als christliche Kirchen warnen wir vor zunehmenden Hassbotschaften - nicht nur im Internet - bzw. Antisemitismus und prangern die Tendenz an, die Ereignisse des Holocaust zu verharmlosen, zu bezweifeln oder gar zu leugnen." Verachtung und Hass entwickele sich allmählich, warnte der Bischof, "aus Worten, Stereotypen und Vorurteilen, durch rechtliche Ausgrenzung, Entmenschlichung und Gewalteskalation".
Schönborn: Erinnern allein genügt nicht
Kardinal Christoph Schönborn hat der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. "78 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz gedenken wir aller, besonders der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus", schrieb der Wiener Erzbischof anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am Freitag auf Twitter.
"Erinnern allein genügt aber nicht: Jeder von uns trägt Verantwortung für ein menschliches und gutes Miteinander", betonte Schönborn in dem mit dem Hashtag #WeRemember versehenen Posting, "damit gilt: Nie mehr wieder!"
Quelle: kathpress