Kirche und Sexualität
Die katholische Kirche hat im Bereich ihrer Sexualethik nach Ansicht des Münchner Moraltheologen Konrad Hilpert ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Es gebe eine "leidige Diskrepanz zwischen amtlichen Forderungen und gelebten inneren Überzeugungen des Großteils der Gläubigen", sagte er laut deutscher katholischer Nachrichten-Agentur KNA am Samstag in Münster bei der Frühjahrsvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er warnte davor, Normen der Tradition zu idealisieren. Ideale könnten gefährlich sein, wenn sie Menschen ständig und erheblich überforderten.
Hilpert wandte sich dagegen, das in der Kirche über Sexualität von der übergeordneten Position des Besserwissens und "im Gestus des Belehrens" gesprochen werde. Vielmehr müsse der Grundsatz des Fragens und Lernens gelten und ein Sprachmodus herrschen, der die Erfahrungen und Überzeugungen der Menschen einbeziehe.
Der Theologe beklagte eine Verengung der sexualethischen Diskussionen auf das Raster "Ehe oder Nicht-Ehe". Statt "detaillierte Verbotsnormen" vorzugeben, müsse die Sexualmoral unter dem Stichwort "Beziehungsethik" gesehen werden. Dann sei Sexualität eine "spezielle Art von Kommunikation", in der personale Güter wie Zuneigung, Wertschätzung, Fürsorge, Annahme und Trost mitgeteilt werden.
Dabei gehe es weniger um die Bestimmung der Grenzen, "innerhalb der Befriedigung erlaubt und jenseits der sie verboten ist", sondern um Verantwortung für Menschen, denen man emotional und leiblich nahekomme. "Sexualethik muss also von den Beziehungen her gedacht und ausgestaltet werden und nicht umgekehrt", sagte Hilpert. Dieser Perspektivenwechsel sei anspruchsvoll und erfordere, dass Beziehungen gestaltet und gefördert werden.
Hilpert bedauerte, dass sich viele Theologen aus Angst vor kirchlichen Sanktionen nicht mit sexualethischen Fragestellungen befassten. Allerdings habe sich die Situation nach den Missbrauchsfällen in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren verbessert.
Ähnlich wie Hilpert hatte sich ZdK-Präsident Alois Glück geäußert. In der Kirche werde Sexualität tabuisiert, sagte er am Freitag vor Journalisten am Rande der Vollversammlung. Es gebe in dieser Frage ein Klima der Angst und Unehrlichkeit. Diese Verkrampfungen müssten aufgebrochen werden.