Soziale Verantwortung in Wirtschaft und Staat
Mehr soziale Verantwortung in Wirtschaft und Staat hat der St. Pöltner Bischof Klaus Küng eingemahnt. Zugleich kritisierte er die niedrige staatliche Entwicklungshilfe. Er äußerte sich bei einer wirtschaftsethischen Tagung im Stift Seitenstetten. Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und NGOs, aber auch hochrangige Kirchenvertreter, diskutieren noch bis Sonntag über das Unrecht durch globale Geldflüsse. Unter dem Titel "Schritte in Richtung friedensfähige Geldordnung" sollen auch mögliche Alternativen zu einem - wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat - krisenanfälligen System, das wenige auf Kosten vieler begünstigt, überlegt werden.
Bischof Küng sprach in seinem Vortrag die Wirtschaftskritik von Papst Franziskus in seinem Schreiben "Evangelium gaudii" an. Der Papst spreche von der Vergötterung des Geldes und vom Vorrang des Menschen. Er formuliere ein unmissverständliches "Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen". Er geißle das Unrecht der Ausgrenzung und der sozialen Ungerechtigkeit. Der Papst finde beeindruckende Worte zum Thema Konsumismus und erläutere von seiner Sicht die gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrisen, so Küng.
Küng: "Der Konsumismus führt in einen Teufelskreis. Man erstrebt die Belebung der Wirtschaft, aber der Mensch verhungert geistig und dem auf diese Weise erreichten Aufschwung für die Wirtschaft fehlt die Nachhaltigkeit, weil die Reformen nicht geschehen, die für eine wirkliche Gesundung der Wirtschaft unerlässlich sind." Bei den dahinter stehenden Denkmustern und wirtschaftlichen Strategien bleibe die Familie auf der Strecke: Die Zahl der Kinder sei zu gering, um die Solidarität zwischen Generationen wirksam zu leben, "und ob Migration dauerhaft das Problem der Alterspyramide lösen wird bzw. welch andere Probleme sich daraus ergeben, kann man jetzt schwer sagen".
Papst Franziskus kritisiere weiters, dass Millionen von Menschen am Fortschritt, am Wohlstand, am Reichtum der Welt keinerlei Anteil erhalten. Auch schon frühere Päpste, vor allem Johannes Paul II., hätten häufig beklagt, dass sich in vielen Ländern die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auftut: "Die einen werden noch reicher, die anderen womöglich noch ärmer als sie es schon zuvor waren, weil man sie ausnützt", so Küng und weiter: "Es ist schon auch wahr, dass in unserem Land viele für die Nöte anderer offen und großzügig sind. Eine andere Frage ist, ob das genug ist."
Hart ging der Bischof mit der österreichischen staatlichen Entwicklungshilfe ins Gericht, die er für einen des reichsteh Länder der Welt für bei weitem nicht ausreichend erachtete. "Die Entwicklungshilfe musste sogar reduziert werden, weil unsere Verschuldung groß ist", kritisierte der Bischof. Nachsatz: "Wenn wir die Millionen, die manche politische Gemeinden und manche Länder durch Spekulationen verloren haben, der Entwicklungshilfe geben hätten können, stünde es mit unserem Ranking besser."
Weltweiter Ausgleich notwendig
Küng wies weiters darauf hin, dass im Gesundheitswesen die hochentwickelten Industrienationen, die rund ein Drittel aller Staaten ausmachen, ca. 95 Prozent der weltweiten Gesamtaufwendungen in diesem Bereich ausgeben. Wörtlich sagte der Bischof: "Wir haben - gerade auch bei uns - großartige Einrichtungen mit einer derartigen Fülle an Personal, an Apparaten, an Medikamenten mit einer ständigen Steigerung, sodass man sich fragt, wer kann das alles Jahr für Jahr bezahlen? Und wenn man dann andere Länder besucht, in denen es gar nichts gibt, fragt man sich unwillkürlich: Müssten wir nicht etwas leiser treten und den anderen in größerem Maße beistehen? Ihnen wenigstens die Apparate, die wir nicht mehr verwenden, zur Verfügung stellen? Das geschieht ja zum Teil bereits. Wahrscheinlich wäre mehr möglich." Ähnliches gelte für viele soziale Einrichtungen. Es brauche mehr weltweiten Ausgleich.
Lobende Worte fand der St. Pöltner Bischof für den austro-brasilianischen Bischof Erwin Kräutler. Dieser habe es gewagt, in Brasilien, der großen Fußballnation, vor der Fußballweltmeisterschaft die Frage zu stellen, inwieweit diese riesigen Investitionen in den Fußball angesichts der großen Armut vieler zu verantworten sei. Küng: "Es war eine delikate, aber gute Frage. Sie ließe sich auch in Bezug auf andere Belange stellen, nicht nur in Brasilien und nicht nur in Bezug auf Fußball."
Als Antwort auf die vielen Fragen und Probleme plädierte der Bischof für eine "bewusste Selbstbeschränkung des Einzelnen und der Staaten im Wissen um unsere persönliche und gemeinsame Verantwortung, sodass wir nicht nur nicht über unsere Verhältnisse leben, sondern auch unseren Beitrag zur Hilfe in Not und zur Entwicklungshilfe erhöhen können". Nur so könne man zur friedlichen Entwicklung auch in anderen Ländern und in der ganzen Welt beitragen.
Im Vordergrund aller konkreten Bemühungen müsse das Gemeinwohl stehen, "das sich von der Würde, der Einheit und Gleichheit aller Personen ableitet und das Wohl aller Menschen und des ganzen Menschen zum Ziel hat". Abzulehnen sei jene radikale Form des Kapitalismus, "die nur den eigenen Vorteil zum Ziel hat und die Grundwerte des gesellschaftlichen Lebens - die Wahrheit, die Freiheit, die Gerechtigkeit - nicht achtet", so Küng. Die Kirche sehe die freie Marktwirtschaft als Weg, der eine positive Entwicklung ermöglicht, wenn von den Staaten die Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität gepflegt und gefördert werden, so Küng: "Ein wichtiges Indiz für die Qualität einer Entwicklungshilfe und im allgemeinen der sozialen Einstellung ist dabei insbesondere die Wertschätzung der Familie als Grundzelle der Gesellschaft und die Achtung vor dem Schutz des Lebens."