Ganzheitliche Bildung dient Einzelnem und Gesellschaft
Ganzheitliche Bildung dient dem Einzelnem und der Gesellschaft. Das hat der Wiener Moraltheologe, Mediziner und Philosoph Matthias Beck in der Ausgabe des "Kurier" am Dienstag vor dem Hintergrund der laufenden Bildungsreformdebatte betont. Bildung werde heute oft auf Ausbildung reduziert, "also Stoff lernen, den ich im Leben gut verwenden kann", so Beck. "Doch Bildung ist mehr." Identitätsfindung erfordere mehr als Anhäufung von Wissen. Es gehe dabei darum , dass Menschen eine gute Beziehung zu sich selbst und zu anderen entwickeln können. Dafür sei auch eine "gute befreiende Religiosität" gefragt, die den Menschen zu sich selbst führe, ergänzte der Theologe.
"Wenn ich den ganzen Menschen bilde, hat das für ihn selber enorme Vorteile und auch für andere." Der Staat würde sich Milliarden im Bereich der Gesundheit, der Kriminalität usw. sparen. Gelingende Bildung schütze auch vor dem Ruf nach dem "starken Mann". Die auch hierzulande für eine Minderheit attraktive Terrortruppe IS nannte Beck "ein Alarmsignal für unsere Kultur". Dass junge Menschen ihr folgen, sei eine "Folge geistiger Unreife, innerer Unsicherheit, Substanzverlust und mangelnder Differenzierungsfähigkeit".
Beck ortete gegenwärtig "ein riesiges Defizit an emotionaler Bildung und Bindung" sowie bereits bei Kindern einen Verlust an Empathiefähigkeit. Kinder sollten Selbstliebe lernen - was Beck als etwas anderes als Narzissmus betrachtet. Heranwachsende sollten überdies entdecken können, was ihre "eigene Wahrheit" ist, und einen Selbststand entwickeln. Dafür wäre es wichtig, jungen Teenagern bewusst zu machen, welchen Einflüssen etwa via Massenmedien sie ausgesetzt sind. Seine eigene Berufung zu finden sei "heute das Schwierigste, weil die Vielfalt der Angebote verwirrt".
Schule braucht "doppelte Interdisziplinarität"
Der Mehrfachdoktor teilte die Einschätzung vieler Bildungsexperten, dass von der Schule heute vieles erwartet werde, was früher in der Familie geschah. Im Schulunterricht sollten die Lehrerkräfte eher auf Zusammenhänge als auf Detailwissen Wert legen. "Wenn Kinder diese verstehen und auch wissen, warum sie etwas lernen, und was das alles mit ihrem Leben zu tun hat, sind sie mit großer Begeisterung bei der Sache." Die Zielrichtung der Bildungsreform solle somit eine "doppelte Interdisziplinarität" sein: Inhalte müssten fächerübergreifend vermittelt und in Beziehung zum Menschen gesetzt werden, so Beck.
Am Mittwoch diskutiert Matthias Beck mit dem Philosophen Christoph Quarch beim Dialogikum Phönixberg in Rabenstein an der Pielach (Niederösterreich) zum Thema: "Wozu bilden?" (Info: www.dialogikum.at)