Hilfsaktion für christlich-historische Dokumente
Um wichtige Dokumente des christlichen Lebens im Nahen Osten vor den IS-Terroristen zu retten, für kommende Generationen zu sichern und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zumachen, hat das Internationale Zentrum für Archivforschung (ICARUS) eine Kooperation mit dem "Centre Numérique des Manuscrits Orientaux" (CNMO) des irakischen Dominikanerpaters Nagib Michael beschlossen. Das wurde bei der jüngsten ICARUS-Tagung in St. Pölten fixiert, wie das Zentrum am Donnerstag in einer Aussendung mitteilte.
P. Nagib arbeitet im Irak seit 1990 an der Sicherung, Restaurierung und Digitalisierung von alten Handschriften, die das parallele Dasein verschiedenster Religionen und Ethnien im Mittleren Osten belegen. Zu Beginn digitalisierte Nagib nur den Bestand seines Heimatklosters in Karakosch, danach folgten die Sammlungen anderer Klöster, der Bestand des Patriarchen von Bagdad sowie private Bestände, die allesamt bis ins 13./14. Jahrhundert zurückreichen.
Der irakische Ordensmann berichtete bei der Tagung in St. Pölten von bereits 8.000 digitalisierten Manuskripten. Unter Einsatz seines Lebens brachten P. Nagib und seine Mitarbeiter im Sommer 2014 unzählige historische Dokumente auf der Flucht vor dem IS von Karakosch nach Erbil in Sicherheit.
Auch wenn er viele Dokumente retten konnte, seien doch zahlreiche Manuskripte in anderen Klöstern und Kirchen in die Hände des IS gefallen, berichtete der Ordensmann gegenüber "Kathpress". Einiges davon hätten die Terroristen medienwirksam verbrannt, viele aber sicher auch auf dem Schwarzmarkt verkauft, so die Einschätzung P. Nagibs über die organisierten kriminellen Aktivitäten des IS. P. Nagib: "Der IS will uns Christen komplett auslöschen. Sowohl als Menschen als auch unsere Geschichte." Doch das werde ihm nicht gelingen.
Von Erbil aus, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, möchte er nun mit Hilfe von ICARUS die Digitalisierung fortführen und ausbauen. Bisher seien erst fünf Prozent des im Irak vorhandenen Materials erfasst, so der Ordensmann. Er wolle in Zukunft auch mehr Material aus Bagdad oder der vom IS bedrohten Stadt Kirkuk sichern.
ICARUS wird P. Nagib und sein Team vom "Centre Numérique des Manuscrits Orientaux" materiell wie auch durch Trainings unterstützen. Zudem soll eine digitale Infrastruktur aufgebaut werden, durch die die Dokumente einer weltweiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
Andreas Schmidt-Colinet, Professor für Archäologie der Universität Wien, betonte bei der ICARUS-Tagung in St. Pölten die Notwendigkeit der Kooperation und unterstrich die besondere Stellung, die die gefährdeten Dokumente der Region über den Nahen Osten hinaus für den gesamten Westen hätten: "Hier wird nicht irgendein Krieg geführt, sondern unser aller kulturelles Erbe zerstört. Man möchte durch die gezielte Vernichtung von Dokumenten erreichen, dass jeglicher Beleg für eine christliche Zivilisation im Mittleren Osten vor dem Islam nicht existiert" so Schmidt-Colinet. Er forschte mehr als 30 Jahre lang bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien in Palmyra.
In dieselbe Kerbe schlug der Präsident von ICARUS Thomas Aigner: Die Bedeutung der historischen Dokumente der Christen und Christinnen im Mittleren Osten gehe weit über diese Region hinaus. Aigner: "Es geht hier nicht nur um die Sicherung des historischen Gedächtnisses einer begrenzten Gruppe oder Region. Diese Dokumente sind ein Zeugnisse unser aller Kultur und gehen uns deshalb alle an."
70 Experten aus 30 Ländern diskutierten bis Mittwoch im St. Pöltner Bildungshaus St. Hippolyt über die Zukunft des Archivwesens. Prominentester Teilnehmer der
Quelle: kathpress