"Möge Bangui die spirituelle Hauptstadt der Welt werden"
Gut eine Woche vor dem offiziellen Beginn in Rom hat Papst Franziskus bei seinem Besuch in der Zentralafrikanischen Republik das "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" eröffnet. In der Kathedrale der Hauptstadt Bangui öffnete er die "Heilige Pforte". "Möge Bangui die spirituelle Hauptstadt der Welt werden!", wünschte sich Franziskus in einer kurzen Ansprache.
Das "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" beginne frühzeitig in einem Land, das unter Krieg, Hass und dem Mangel an Verständigung leide, so der Papst. In dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land seien im Geiste alle Länder anwesend, die das Kreuz des Krieges erlebt hätten. "Wir alle bitten um Frieden, Barmherzigkeit, Versöhnung, Verzeihung, Liebe! Für Bangui, die ganze Zentralafrikanische Republik und die ganze Welt; für alle Länder, die unter Krieg leiden, erbitten wir Frieden."
Franziskus sprach eine alttestamentliche Formel zum Auftakt der Zeremonie zur Öffnung der Pforte: "Öffnet die Pforten der Gerechtigkeit - ich werde eintreten und dem Herrn danken." Anschließend drückte er mit beiden Händen die Flügel des hölzernen Tores der Kathedrale aus den 1930er-Jahren auf. Auf der Schwelle verharrte er für einen Augenblick stehend im Gebet. Danach trat er in die Kathedrale ein. Dort feierte er anschließend eine Messe mit Priestern und Ordensleuten.
Aufruf zur Feindesliebe
In seiner Predigt rief Franziskus die Konfliktparteien in der Zentralafrikanischen Republik auf, die Waffen niederzulegen. "Legt diese Instrumente des Todes ab; bewaffnet euch vielmehr mit Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit", sagte er. Mit der Kraft des Glaubens könne der Frieden erreicht werden. "Gott ist stärker als alles", so Franziskus. Er stehe für Gerechtigkeit, Liebe und eine "unbesiegbare Macht".
Friede sei "nicht vor allem eine Frage der finanziellen Mittel", sagte der Papst in der Kathedrale. Er erinnerte die Katholiken an das Gebot der "Feindesliebe, die gegen die Versuchung zur Rache und die Spirale endloser Vergeltungsmaßnahmen wappnet". Jesus habe Wert darauf gelegt, auf diesem Aspekt christlichen Verhaltens zu beharren. Franziskus gestand ein, dass "der Abstand, der uns von dem so anspruchsvollen christlichen Zeugnis trennt, zuweilen groß ist". Den Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien schärfte er ein, "Handwerker der Vergebung, Spezialisten der Versöhnung und Experten der Barmherzigkeit" zu sein.
Papst umarmte Imam
Beim Moment des Friedensgrusses in der Kathedrale umarmte der Papst auch einen evangelischen Pastor und einen Imam, die in seiner Nähe standen. Bereits auf dem Weg zur Kathedrale hatte Franziskus einen kurzen Stopp an einem Kinderkrankenhaus der Hauptstadt eingelegt. Dabei schenkte er den jungen Patienten Medikamente, die ihm das römische Kinderkrankenhaus Bambin Gesu mitgegeben hatte.
Die Worte und Gesten des Papstes fallen in eine Situation großer Spannungen zwischen Christen und Muslimen: Am Morgen seines Eintreffens in Bangui wurden dort in der Nähe des berüchtigten muslimischen PK5-Viertels zwei junge Christen ermordet, und ihre Familien kündigten umgehend blutige Rache an.
Eröffnung im Vatikan am 8. Dezember
Das sogenannte Jubiläum der Barmherzigkeit begeht die katholische Kirche weltweit ab dem 8. Dezember. An diesem Tag eröffnet es Franziskus feierlich mit dem Aufstoßen der Heiligen Pforte im Petersdom. Das Jubeljahr endet am 20. November 2016. Im März hatte der Papst das außerordentliche Heilige Jahr angekündigt; üblicherweise finden sie nur alle 25 Jahre statt. Das bislang letzte Heilige Jahr hatte Papst Johannes Paul II. (1978-2005) im Jahr 2000 eröffnet.
In der katholischen Kirche soll das Heilige Jahr der inneren Erneuerung der Gläubigen dienen. Das Durchschreiten einer Heiligen Pforte bewirkt nach katholischer Überzeugung in Verbindung mit Gebet, Beichte und dem Empfang der Eucharistie einen Ablass von den Sündenstrafen. Es gibt sie in rund 5.000 Kirchen weltweit.
Quelle: kathpress