kathbild.at / Franz Josef Rupprecht, Franz Josef Rupprecht
Krätzl: Geist des Konzils darf nicht erlöschen
Vor der Gefahr, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) auszulöschen, hat der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl gewarnt. In seiner Predigt bei einem Gottesdienst im Stift Klosterneuburg würdigte Krätzl Papst Franziskus, der in seinen Worten und "unübersehbaren, menschlichen Gesten" dazu aufrufe, den Geist des Konzils neu anzufachen: "Lassen wir uns von diesem Papst begeistern, damit wir das Konzil wieder neu erkennen."
Die Messe in der Stiftskirche von Klosterneuburg am Dienstagabend war Teil der Jubiläumsveranstaltung "Löscht den Geist nicht aus" zum Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor gut 50 Jahren. Im Anschluss an den Gottesdienst sprach Krätzl im Augustinussaal des Stifts über seine Erfahrungen beim Konzil. Der emeritierte Wiener Ordinarius für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, Georg Braulik, hielt zudem einen Vortrag über "Die Erneuerung der Liturgie und das Alte Testament". Außerdem stellte die Geschäftsführerin des Styria-Verlags, Gerda Schaffelhofer, die vor kurzem vollendete "Kardinal-König-Bibliothek" vor.
Weihbischof Krätzl hob drei wichtige Reformschritte des Zweiten Vatikanums hervor. Schon die Ankündigung des Konzils durch Papst Johannes XXIII. sei eine "einsame" wie "plötzliche" Entscheidung, aber "offensichtlich der Wille Gottes" gewesen. Die Eröffnungsrede des Papstes zum Konzil sei für Krätzl wegweisend gewesen. Die "Erneuerung der Kirche" sei damit angestoßen worden, es hätte ein Sprung nach vorne sein sollen. Diese Worte, die Johannes XXIII. damals auf Italienisch gesagt hätte, seien in der lateinischen Fassung verloren gegangen, so der Weihbischof. Als dritten wichtigen großen Schritt nannte er die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", die eine "Offenheit für die Welt" und neue Sichtweisen auf Amt, aber auch Ehe gebracht habe.
Krätzl beschrieb bei seinem Vortrag über das Konzil die drei Gruppen, die sich damals in der Kirche gebildet hatten: eine traditionalistische, eine progressive und eine heterogene dritte Gruppe. Der Weihbischof konnte als junger Priester in der Konzilsaula des Petersdoms als Stenograf den Verlauf der Kirchenversammlung und die Diskussionen unmittelbar verfolgen. Krätzl würdigte den "Mut" von Johannes XXIII., mit der Eröffnung des Konzils "auf göttliche Eingebung ein großes Werk" zu beginnen. Nach dem Tod des Papstes sei das Konzil juridisch zu Ende gewesen, Paul VI. habe es "dankenswerterweise" wieder eröffnet. Kritik an Paul VI. kam von Krätzl dafür, dass dieser sehr oft ins Konzilsgeschehen eingegriffen hätte.
Der Weihbischof bezeichnete Papst Franziskus nach Johannes XXIII. und Paul VI. als "dritten Konzilspapst". Dieser sage "mit Nachdruck alles, was fehlt", wie die Kollegialität, Dezentralisierung oder die Aufwertung der Ortskirchen. Es gelte laut Krätzl, "den Geist des Konzils neu zu entfachen". Außerdem rief er dazu auf, die Texte des Konzils wieder zu lesen. Das Zweite Vaticanum habe "große Fortschritte" gebracht. Es sei kaum vorstellbar, wo die Kirche ohne die Kirchenversammlung heute stünde, so der Weihbischof. Der aktuelle Papst könne mit seinen Gesten notwendige weitere Schritte setzen.
Appell zu kreativer Fortschreibung
Der Benediktinerpater und emeritierte Alttestamentler Prof. Georg Braulik plädierte in seinen Ausführungen u.a. für eine "kreative Fortschreibung des Konzils". Er führte diesen Gedanken anhand zweier Beispiele aus: des Paschamysteriums und der vorherrschenden Tora-Vergessenheit.
Als eines der größten Defizite der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, "Sacrosanctum Concilium", sah Braulik das Verständnis und die Wiedergabe des "mysterium paschale". Die Übersetzung mit "Heilsgeschichte" greife zu kurz, da die Wendung nicht nur Leben, Wirken und Sterben Jesu Christi umfasse, sondern auch die "göttlichen Großtaten am Volk des alten Bundes". Problematisch sei das Verständnis des Heilshandeln Gottes am Volk Israel als "Vorspiel", das Christus durch das Paschamysterium erfüllt habe. Braulik plädiert somit für eine "Begriffsfüllung" des "mysterium paschale", die auch ausdrücklich die Paschatradition Israels einschließe.
In einem zweiten Teil ging der Alttestamentler auf die Bedeutung der Tora, der fünf Bücher Mose, in der Kirche ein. Er nahm dabei Bezug auf das im Dezember publizierte Dokument orthodoxer Juden über den jüdisch-christlichen Dialog. Das Problem bestünde laut Braulik in einer "dem Judentum zugeordneten Tora", die "nie als Teil der christlichen Heiligen Schrift" gesehen werde. Als Beispiel nannte er das vierte Hochgebet der Kirche, in dem in der Bundespassage "bewusst" auf den Begriff des Gesetzes, der Tora, verzichtet werde.
Um die Bedeutung der fünf Bücher Mose wieder neu in den Blick zu nehmen, schlug Braulik die Wiedereinführung einer Toralesung im Wortgottesdienst vor. Die Tora sei nämlich mit den Evangelien vergleichbar, da sie die Gründungsgeschichte Israels enthalte, während die Evangelien die Gründungsgeschichte der Kirche erzählten. Der Tora müsste somit in der Liturgie ebenso eine "qualifizierte Position" zukommen, so Braulik. Zwischen der Toralesung und der Evangeliumslesung sollte außerdem nicht nur eine neutestamentliche, sondern auch eine alttestamentliche Lesung zur Verfügung stehen, die jeweils auf die Tora- bzw. das Evangeliumsstelle abzustimmen sei.
Kardinal-König-Bibliothek als "Fundgrube"
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde die Kardinal-König-Bibliothek präsentiert. In insgesamt sieben Bänden wird die Genese des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Konzilsdokumente nachgezeichnet. Dabei wird vor allem aufgrund von Akten, Dokumenten sowie Materialien aus dem Wiener Kardinal-König-Archiv gezeigt, wie maßgeblich Kardinal Franz König auf Seiten der Reformer beim Konzil Impulse setzte. Die Kardinal-König-Bibliothek werde eine "Fundgrube für die nächsten Generationen" sein, zeigte sich Gerda Schaffelhofer, Geschäftsführerin des Styria-Verlags, überzeugt.
Die Messe in der Stiftskirche von Klosterneuburg am Dienstagabend war Teil der Jubiläumsveranstaltung "Löscht den Geist nicht aus" zum Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor gut 50 Jahren. Im Anschluss an den Gottesdienst sprach Krätzl im Augustinussaal des Stifts über seine Erfahrungen beim Konzil. Der emeritierte Wiener Ordinarius für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, Georg Braulik, hielt zudem einen Vortrag über "Die Erneuerung der Liturgie und das Alte Testament". Außerdem stellte die Geschäftsführerin des Styria-Verlags, Gerda Schaffelhofer, die vor kurzem vollendete "Kardinal-König-Bibliothek" vor.
Weihbischof Krätzl hob drei wichtige Reformschritte des Zweiten Vatikanums hervor. Schon die Ankündigung des Konzils durch Papst Johannes XXIII. sei eine "einsame" wie "plötzliche" Entscheidung, aber "offensichtlich der Wille Gottes" gewesen. Die Eröffnungsrede des Papstes zum Konzil sei für Krätzl wegweisend gewesen. Die "Erneuerung der Kirche" sei damit angestoßen worden, es hätte ein Sprung nach vorne sein sollen. Diese Worte, die Johannes XXIII. damals auf Italienisch gesagt hätte, seien in der lateinischen Fassung verloren gegangen, so der Weihbischof. Als dritten wichtigen großen Schritt nannte er die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", die eine "Offenheit für die Welt" und neue Sichtweisen auf Amt, aber auch Ehe gebracht habe.
Krätzl beschrieb bei seinem Vortrag über das Konzil die drei Gruppen, die sich damals in der Kirche gebildet hatten: eine traditionalistische, eine progressive und eine heterogene dritte Gruppe. Der Weihbischof konnte als junger Priester in der Konzilsaula des Petersdoms als Stenograf den Verlauf der Kirchenversammlung und die Diskussionen unmittelbar verfolgen. Krätzl würdigte den "Mut" von Johannes XXIII., mit der Eröffnung des Konzils "auf göttliche Eingebung ein großes Werk" zu beginnen. Nach dem Tod des Papstes sei das Konzil juridisch zu Ende gewesen, Paul VI. habe es "dankenswerterweise" wieder eröffnet. Kritik an Paul VI. kam von Krätzl dafür, dass dieser sehr oft ins Konzilsgeschehen eingegriffen hätte.
Der Weihbischof bezeichnete Papst Franziskus nach Johannes XXIII. und Paul VI. als "dritten Konzilspapst". Dieser sage "mit Nachdruck alles, was fehlt", wie die Kollegialität, Dezentralisierung oder die Aufwertung der Ortskirchen. Es gelte laut Krätzl, "den Geist des Konzils neu zu entfachen". Außerdem rief er dazu auf, die Texte des Konzils wieder zu lesen. Das Zweite Vaticanum habe "große Fortschritte" gebracht. Es sei kaum vorstellbar, wo die Kirche ohne die Kirchenversammlung heute stünde, so der Weihbischof. Der aktuelle Papst könne mit seinen Gesten notwendige weitere Schritte setzen.
Appell zu kreativer Fortschreibung
Der Benediktinerpater und emeritierte Alttestamentler Prof. Georg Braulik plädierte in seinen Ausführungen u.a. für eine "kreative Fortschreibung des Konzils". Er führte diesen Gedanken anhand zweier Beispiele aus: des Paschamysteriums und der vorherrschenden Tora-Vergessenheit.
Als eines der größten Defizite der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, "Sacrosanctum Concilium", sah Braulik das Verständnis und die Wiedergabe des "mysterium paschale". Die Übersetzung mit "Heilsgeschichte" greife zu kurz, da die Wendung nicht nur Leben, Wirken und Sterben Jesu Christi umfasse, sondern auch die "göttlichen Großtaten am Volk des alten Bundes". Problematisch sei das Verständnis des Heilshandeln Gottes am Volk Israel als "Vorspiel", das Christus durch das Paschamysterium erfüllt habe. Braulik plädiert somit für eine "Begriffsfüllung" des "mysterium paschale", die auch ausdrücklich die Paschatradition Israels einschließe.
In einem zweiten Teil ging der Alttestamentler auf die Bedeutung der Tora, der fünf Bücher Mose, in der Kirche ein. Er nahm dabei Bezug auf das im Dezember publizierte Dokument orthodoxer Juden über den jüdisch-christlichen Dialog. Das Problem bestünde laut Braulik in einer "dem Judentum zugeordneten Tora", die "nie als Teil der christlichen Heiligen Schrift" gesehen werde. Als Beispiel nannte er das vierte Hochgebet der Kirche, in dem in der Bundespassage "bewusst" auf den Begriff des Gesetzes, der Tora, verzichtet werde.
Um die Bedeutung der fünf Bücher Mose wieder neu in den Blick zu nehmen, schlug Braulik die Wiedereinführung einer Toralesung im Wortgottesdienst vor. Die Tora sei nämlich mit den Evangelien vergleichbar, da sie die Gründungsgeschichte Israels enthalte, während die Evangelien die Gründungsgeschichte der Kirche erzählten. Der Tora müsste somit in der Liturgie ebenso eine "qualifizierte Position" zukommen, so Braulik. Zwischen der Toralesung und der Evangeliumslesung sollte außerdem nicht nur eine neutestamentliche, sondern auch eine alttestamentliche Lesung zur Verfügung stehen, die jeweils auf die Tora- bzw. das Evangeliumsstelle abzustimmen sei.
Kardinal-König-Bibliothek als "Fundgrube"
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde die Kardinal-König-Bibliothek präsentiert. In insgesamt sieben Bänden wird die Genese des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Konzilsdokumente nachgezeichnet. Dabei wird vor allem aufgrund von Akten, Dokumenten sowie Materialien aus dem Wiener Kardinal-König-Archiv gezeigt, wie maßgeblich Kardinal Franz König auf Seiten der Reformer beim Konzil Impulse setzte. Die Kardinal-König-Bibliothek werde eine "Fundgrube für die nächsten Generationen" sein, zeigte sich Gerda Schaffelhofer, Geschäftsführerin des Styria-Verlags, überzeugt.
Quelle: kathpress