Scheuer: Social Media kann "Ort der Erfahrung Jesu" sein
Auch die heutigen sozialen Medien können zum "Ort der Erfahrung Jesu" werden. Darauf hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Samstag zum Abschluss der Österreichischen Pastoraltagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil hingewiesen. Was früher ein Stoßgebet war, sei heute oft eine "Statusmeldung" getragen von der Hoffnung, "da ist jemand, dem es nicht egal ist, wie es mir geht". Vor dem Hintergrund, dass die katholische Kirche auch immer mehr seelsorgliche Präsenz im Internet zeigt, plädierte Scheuer bei der abschließenden Eucharistiefeier für fachkundige "Begleitung" dieser potenziellen religiösen Erfahrungsorte; Facebook, Twitter, Instagram oder Youtube könnten aber grundsätzlich integriert werden.
In seiner Predigt ließ der Linzer Bischof viele während der Pastoraltagung mit dem vieldeutigen Titel "Like Jesus" angesprochene Christus-Bilder Revue passieren: Jesus werde als Therapeut wahrgenommen, als Sozialrevolutionär, spiritueller Lehrer, Erlöser oder "historischer Jesus". Die Zentralgestalt des christlichen Glaubens werde auch von anderen Religionen wie Judentum oder Islam gedeutet, was für Christen Anlass für Bekenntnis gleichermaßen wie für von Respekt getragenen Dialog sein solle.
Papst Franziskus habe in seinem Lehrschreiben "Amoris laetitia" im Anschluss an die Bischofssynode über Ehe und Familie ebenfalls einen christologischen Akzent gesetzt, als er darauf hinwies, dass "Jesus in vielen Geschichten der Liebe gegenwärtig" sei - auch in vermeintlich ungeordneten und misslungenen. Und der Papst wünsche sich eine Kirche, die an die Ränder der Gesellschaft geht, in der Überzeugung, dass Jesus auch im Leid und "im Dunkeln" erfahrbar ist. Gegen den "Verdacht, naiv zu sein", rief Bischof Scheuer aber auch dazu auf, die Freude und Schönheit als Ausdruck der Gegenwart Gottes zu erkennen.
Auch am Freitagabend wurde im Bildungshaus St. Virgil ein Gottesdienst gefeiert - im diesjährigen Reformationsgedenkjahr mit einem besonderen ökumenischen Akzent: Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner konzelebrierte mit dem evangelischen Superintendenten für Salzburg und Tirol, Olivier Dantine, mit dem altkatholischen Bischof Heinz Lederleitner und dem serbisch-orthodoxen Bischof Andrej Cilderdzic, der auch die Predigt hielt.
Kirchentradition tat Judas Unrecht
Dass die kirchliche Tradition dem Apostel und Jesu "schwierigem Freund" Judas Iskariot mit Zuschreibungen wie geldgieriger Verräter oder von Gott verdammter Selbstmörder Unrecht tat, zeigte der Jesuit Georg Sporschill im Schlussvortrag der Pastoraltagung am Samstag auf. Judas sei eine in den Evangelien häufig genannte, von Jesus offenbar geschätzte Person, die jedoch eine undankbare Rolle in der Heilsgeschichte bekam: "Gott braucht Judas im Erlösungswerk seines Sohnes", sagte der in Südosteuropa seit Jahrzehnten für Marginalisierte wie Angehörige der Roma engagierte Sporschill.
Noch beim Letzten Abendmahl habe Jesus den Judas - wie im Johannesevangelium deutlich werde - dazu ermutigt, ihn "auszuliefern"; Sporschill äußerte Genugtuung darüber, dass dieser Ausdruck in der neuen Einheitsübersetzung statt des davor verwendeten "verraten" gewählt wurde. Judas habe sich davor nicht gedrückt, habe Verantwortung übernommen, als Freund, ja "Mitkämpfer" Jesu dessen Mission zu erfüllen, "unter den Heiden ein neues Licht anzuzünden, einen neuen Bund zu stiften". An dieser Bürde sei Judas freilich zerbrochen, wie der Jesuit hinwies.
Autoren wie Walter Jens ("Der Fall Judas", 1975) oder Amos Oz ("Judas", 2015) hätten Judas literarisch rehabilitiert; P. Sporschill wünscht sich Ähnliches auch für die Kirche, nicht zuletzt, weil damit - wie Oz formulierte - ein "Tschernobyl des Antisemitismus" entschärft werden, der christlichen Antijudaismus an der Wurzel gepackt werden könnte.
Auch Judas ein "Heiliger"?
Petrus, der Jesus nach dessen Festnahme dreimal verleugnete, sei nach seiner Reue ein Heiliger geworden; Judas dagegen habe man seine Reue nicht abgenommen. Dabei habe dieser "die Lebensaufgabe des Messias bis in die Hingabe geteilt", wie Sporschill sagte. Er stellte es abschließend seinen rund 200 Zuhörern anheim, ob nicht auch Judas berechtigterweise als "Heiliger" zu betrachten sei.
Die Pastoraltagung ist die größte kirchliche Seelsorge-Fortbildungsveranstaltung in Österreich. Alljährlich nehmen hunderte Mitarbeitende in Seelsorge und Religionspädagogik sowie Interessierte aus dem In- und dem benachbarten Ausland teil. Für das kommende Jahr hat das veranstaltende Österreichische Pastoralinstitut (ÖPI) das Thema "Hoffnungsräume" angekündigt. Schauplatz wird von 11. bis 13. Jänner 2018 wieder das Bildungszentrum St. Virgil sein.
Webtipp: www.pastoral.at
Quelle: Kathpress