Vatikan und OSZE wollen schärferes Vorgehen gegen Menschenhandel
Laut UNICEF-Angaben sind 5,5 Millionen Kinder Zwangsarbeiter, Zigtausende leiden unter Missbrauch, Zwangsverheiratung und Zwangsrekrutierung in Milizen und Terrorgruppen. So wundert es auch nicht, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) das Thema Menschenhandel in den Mittelpunkt ihrer aktuellen Konferenz in der Wiener Hofburg rückt. Für den Vatikan nimmt der Flüchtlingssektions-Verantwortliche des neuen Vatikan-Dikasteriums für Menschenrechte und Entwicklung, Unterstaatssekretär P. Michael Czerny SJ, teil. Der Kanadier leitete zuvor das Menschenrechtszentrums an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador und ist Gründungsdirektor des afrikanischen Aids-Netzwerks der Jesuiten; er gilt als enger Vertrauter von Papst Franziskus.
Gemeinsam wollen der Vatikan und die OSZE auf ein schärferes Vorgehen gegen die global vernetzten mafiosen Menschenhandelsringe drängen, sagte Czerny in einem "Kathpress"-Gespräch am Rande der Konferenz. Er erwähnte, dass es in dem Viererschritt zur Bekämpfung der Kinderausbeutung (Prevention-Protection-Prosecution-Partnership/Vorbeugung-Schutz-Strafverfolgung-Partnerschaft) einen Aspekt gebe, dem bisher zu wenig Beachtung geschenkt worden sei, nämlich die Frage, "mit welchen Sanktionen eigentlich jene zu rechnen haben, die die menschenrechtswidrigen 'Dienste' in Anspruch nehmen". Bei den "Konsumenten" sei eine gestufte Schuld gegeben. Zuweilen handle es sich ja um Personen, die sich nicht die Frage stellten, ob nicht Kinder-Zwangsarbeit oder Kinder-Organhandel mit einem Produkt verbunden sei, das sie sich leisteten, so der vatikanische Flüchtlings- und Migrantensektions-Verantwortliche.
Bei der Konferenz in der Wiener Hofburg hielt er eine Rede unmittelbar in Anschluss an die Eröffnung durch Außenministeriums-Generalsekretär Michael Linhart und OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier. Es war dies das erste Mal, dass ein Vertreter des Heiligen Stuhls als Keynote-Speaker eingeladen wurde.
In dem "Kathpress" vorliegenden Redetext legte Czerny auch einen starken Fokus auf den Schutz der Familien: "Der Schutz der Kinder erfordert den Schutz der Familien. Daher müssen die politischen Handlungen und Programme den Familien die notwendigen Instrumente zur Verfügung stellen, um ihre Kinder vor Situationen von Verwundbarkeit zu schützen und zu stärken. Es geht dabei auch um entsprechende Wohnungen, Gesundheitswesen, die Möglichkeit zur Arbeit und zur Bildung." In diesem Zusammenhang sei durch das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes ein entsprechender internationaler Rechtsrahmen geschaffen worden. Es gehe in dem Protokoll um das Verkaufen von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornografie.
In Wien hatte Czerny sich vor der Konferenz beim Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, über aktuelle Fragen von Religion Politik in den Ländern Mitteleuropas informiert. Im "Kathpress"-Gespräch nahm Czerny auch zum EU-Migrationsthema Stellung. Er erinnerte an die Klarstellung des Papstes, dass Integration im Mittelpunkt stehen müsse und es berechtigte Forderungen von beiden Seiten - Aufnahmegesellschaften und Migranten - gebe. Die Aufnahmegesellschaft könne jedenfalls von den Migranten Respekt für die "Roots" (religiös-kulturelle Prägungen) verlangen. Die Zahlenfrage ist demgegenüber Czerny zufolge nicht prioritär. Die Antworten ergeben sich aus dem Verlauf des Prozesses.
Kritikern der Einwanderung aus anderen religiös-kulturellen Gebieten wolle er die Frage stellen, ob nicht das Fremdheitsgefühl vieler "Autochthoner" in Wirklichkeit aus der unbewältigten Globalisierung komme: Viele Betroffene kämen mit den Inhalten des Internets nicht zurecht und erlebten die Zerstörung ihres gewohnten Orientierungssystems, sagte der Jesuit.
Czerny betonte auch, dass er über die starken Vorbehalte einiger EU-Bischofskonferenzen in der Flüchtlings- und Migrationsfrage gut Bescheid wisse. Seine Sektion wolle aber nicht schulmeistern, sondern zuhören. Gesprächspartner seien Verantwortliche von Ortskirchen, kirchennahen Organisationen. "Wenn wir in den Dialog eintreten können, sind wir zufrieden", so der Menschenrechtsexperte.
Das "Ministerium" mit dem von Czerny geleiteten Teilbereich ist die im November 2016 errichtete Vatikanbehörde "für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen" unter Leitung von Kardinal Peter Turkson. In ihr sind die bisher getrennten Ressorts für Menschenrechte, Migration, Gesundheitsfragen und humanitäre Hilfe unter einem Dach zusammengeführt worden. Das Profil der neuen Behörde wurde am Montag von Turkson selbst bei einer großen Vatikan-Konferenz anlässlich 50 Jahre Enzyklika "Populorum progressio" präsentiert.
Quelle: kathpress