Nach den "Turbulenzen" setzt die Kirche auf Versöhnung
Kardinal Schönborn erläuterte bei Abschlusspressekonferenz der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz Stellungnahmen zur Finanz- und Wirtschaftskrise, zum Verhältnis von Religionsunterricht und Ethikunterricht und zum Kirchenbeitrag - Gedenken an Kardinal König
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Pressekonferenz am 13. März in Wien |
Wien, 13.3.09 (KAP) In der katholischen Kirche in Österreich sollen nach den jüngsten "Turbulenzen" Schritte der Versöhnung und des Miteinanders eingeleitet werden. Dies kündigte Kardinal Christoph Schönborn am Freitag in Wien bei der Abschlusspressekonferenz der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz an. Dies gelte insbesondere für die Diözese Linz, wo konkrete Schritte für einen "Versöhnungsprozess" geplant seien. Auf der Österreich-Ebene wird der große Kongress der Pfarrgemeinderäte in Mariazell im Mai 2010 ein wichtiges Zeichen setzen. In besonderer Weise gedachte Kardinal Schönborn bei der Pressekonferenz seines Vorvorgängers Kardinal Franz König, dessen Tod sich am Freitag zum fünften Mal jährte. Auch die Vollversammlung der Bischöfe habe sich in Innsbruck auf Kardinal König besonnen und seiner im Gebet gedacht.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei ein zentrales Thema bei den Beratungen der Bischöfe in Innsbruck gewesen, betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Die Solidarität der österreichischen Bischöfe gelte in erster Linie den unmittelbar Betroffenen, deren materielle Lebensgrundlage auf Grund der Krise in Frage gestellt ist, sagte Kardinal Schönborn. Die Bischöfe fühlten aber auch "mit den vielen Menschen, die in Sorge um ihre Zukunft, die Zukunft ihrer Familien und die Zukunft unseres Landes sind".
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Kardinal Christoph Schönborn Über die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise
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Die Krise spiegle schwere moralische und strukturelle Mängel der modernen Gesellschaft, heißt es in der Erklärung der österreichischen Bischöfe. Nach den traumatischen Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei in Österreich - wie in vielen anderen europäischen Ländern - auf das Modell der Sozialen Marktwirtschaft gesetzt worden, "das entscheidend von Überlegungen der katholischen Soziallehre mitgeprägt ist". Dieses Modell setze auf ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Ordnung, von wirtschaftlichem Erfolg und sozialem Ausgleich. Im Ganzen habe dieses Modell die Lebensbedingungen der großen Mehrheit der Menschen in Österreich und anderen europäischen Ländern entscheidend verbessert.
In den letzten 20 Jahren sei es freilich durch die Existenz der weitgehend unregulierten Finanzmärkte dazu gekommen, auf Gewinne zu setzen, "denen keine entsprechende realwirtschaftliche Wertschöpfung gegenüberstand". Die Vermehrung des Finanzkapitals nach dem Glücksspielprinzip sei zum obersten Wirtschaftsziel erhoben worden "statt die Dienstfunktion des Kapitals für die Schaffung von Gütern und Dienstleistungen zu sehen".
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Kardinal Schönborn präsentiert eine Broschüre über die Leistungen der Kirche
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Jede Krise bedeute aber zugleich auch eine Chance, unterstrich Kardinal Schönborn. Diese Chance gelte es wahrzunehmen und daran zu erinnern, dass alles wirtschaftliche Handeln immer im Dienst der Menschen stehen muss: "Nicht der Mensch hat der Wirtschaft zu dienen, sondern die Wirtschaft ist für den Menschen da".
Gerade in einer Krisenzeit brauche es die Beachtung der Grundprinzipien der katholischen Soziallehre, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Bei diesen Prinzipien gehe es insbesondere um die Solidarität mit den Ärmsten und Schwächsten und um die Orientierung am Gemeinwohl, aber auch um den grundlegenden Respekt vor der Würde der Person, um Selbstverantwortung sowie um einen nachhaltigen Lebensstil, der den ökologischen Grenzen und der Verpflichtung zur weltweiten Gerechtigkeit Rechnung trägt.
Kein "verpflichtender" Ethikunterricht
Die österreichischen Bischöfe plädieren für ein "gut abgestimmtes Miteinander von konfessionellem Religionsunterricht und Ethikunterricht, in dem beide ihren Dienst an den jungen Menschen leisten können", fasste Kardinal Schönborn im Hinblick auf die neuaufgeflammte Debatte über den Ethikunterricht die Meinung der österreichischen Bischöfe zusammen. In diesem Sinn werde man kirchlicherseits auch bei der bevorstehenden Parlamentarischen Enquete über den Ethikunterricht argumentieren.
Bei aller positiven Sicht eines "ergänzenden" Ethikunterrichts müsse aber festgehalten werden, dass in einem Land, in dem 90 Prozent der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft angehören, der Ethikunterricht nicht für alle Schüler verpflichtend sein könne. Denn dies würde eine Relativierung des konfessionellen Religionsunterrichts bedeuten.
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Kardinal Christoph Schönborn Über den Wert des konfessionellen Religionsunterrichts
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In diesem Zusammenhang erinnerte Kardinal Schönborn daran, dass der Religionsunterricht in Österreich "gut angenommen" sei. 95 Prozent aller katholischen Schülerinnen und Schüler - 730.000 Kinder und Jugendliche - besuchten den katholischen Religionsunterricht als Pflichtgegenstand. Zusätzlich nehmen mehr als 25 Prozent der der Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis am katholischen Religionsunterricht als Freigegenstand teil.
In einer Gesellschaft, "in der eine nicht unbedeutende Zahl von Menschen ihre Werte säkular begründet", sei es angemessen, dass es für Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, einen verpflichtenden Ethikunterricht gibt, halten die österreichischen Bischöfe fest. Es stelle sich aber die Frage, so Kardinal Schönborn, wie der sich selbst als "weltanschaulich neutral" verstehende Staat den Ethikunterricht in seine Kompetenz nehmen soll. Nach Ansicht ds deutschen Staatsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde lebe die Demokratie von Voraussetzungen und Werten, die sie selbst weder schaffen noch garantieren könne. Wenn das so ist, dann stelle sich im Blick auf den Ethikunterricht die Frage: "Woraus soll das Ethos dieses Ethikunterrichts bei einem wertneutralen Selbstverständnis denn gezogen werden?" Diese Grundsatzfrage müsse noch "umfassend gesellschaftlich diskutiert" werden.
Lob für Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags
Kardinal Schönborn betonte bei der Pressekonferenz den Dank der Bischöfe für die Verdoppelung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags. Es handle sich um kein "Geschenk an die Kirche", sondern um ein "unübersehbares Zeichen dafür, dass der Staat den Beitrag der Katholiken zum Gemeinwohl würdigt und anerkennt".
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Kardinal Schönborn: Höherer Absetzbetrag für Kirchenbeitrag ist "Anerkennung der Leistungen der Kirche"
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Die Bischöfe halten in ihrer Erklärung fest, dass fast 80 Prozent der Einnahmen der katholischen Kirche in Österreich aus dem Kirchenbeitrag stammen, der die finanzielle Basis "für ein dichtes Solidarnetz aus mehr als 4.000 Pfarren und Seelsorgestellen" sei, "das über ganz Österreich gespannt ist". Gerade "wenn die großen Netze der Solidarität brüchig" werden, seien die "kleinmaschigen Netze" wie die Pfarrgemeinden umso wichtiger, betonte der Kardinal. 30.000 gewählte ehrenamtliche Pfarrgemeinderäte würden Mitverantwortung tragen; mit 60.000 hauptamtlich Beschäftigten sei die katholische Kirche zudem einer der größten Arbeitgeber in Österreich.
Kardinal Schönborn würdigte in diesem Zusammenhang besonders die unzähligen ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche. Ein wesentlicher Teil der kirchlichen Arbeit werde von ihnen getragen. Der Kardinal verwies in diesem Zusammenhang u.a. auf die Renovierung zahlreicher kirchlicher Gebäude. Ohne freiwillige Mitarbeit wäre das kulturelle Erbe Österreichs in den Pfarrgemeinden nicht zu bewahren. Kardinal Schönborn machte auch darauf aufmerksam, dass die Kirche für Renovierungsarbeiten immer noch mehr an Mehrwertsteuer bezahle, als sie vom Bund an Zuschüssen aus dem Denkmalschutzbudget erhalte.
Dank an Kirchenbeitragszahler
Die Bischöfe danken in ihrer Erklärung allen Gläubigen, "die in großer Treue diesen Solidarbeitrag leisten", gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Situationen oder wenn "in der Kirche Situationen entstehen, die Anlass zur Kritik geben".
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Kardinal Christoph Schönborn Über die Steuerreform und den Kirchenbeitrag
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Wie Kardinal Schönborn weiter ausführte, bemühe man sich etwa in der Erzdiözese Wien bereits seit fast 15 Jahren intensiv um jene Menschen, die aus der Kirche austreten wollen. Jeder Ausgetretene erhalte ein persönliches Schreiben mit der Einladung zum Gespräch. Wenn es Probleme mit dem nicht bezahlten Kirchenbeitrag gibt, werde immer zuerst ein persönliches Gespräch geführt, bevor eine Mahnklage in Betracht komme. So sei es gelungen, in den letzten Jahren die Zahl der Klagen in der Erzdiözese Wien auf ein "äußerstes Minimum" zu reduzieren, sagte Kardinal Schönborn.
Europawahlen: Von Wahlrecht Gebrauch machen
Anlässlich der - in Österreich am 7. Juni bevorstehenden - Wahlen zum Europäischen Parlament appellieren die Bischöfe an alle Wahlberechtigten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Christen könnten auf diese Weise ihre Mitverantwortung für den "Bauplatz Europa" wahrnehmen. Die Ausübung des Wahlrechts sei "ein wichtiger Beitrag für eine weitere friedlich Entwicklung des europäischen Kontinents", heißt es wörtlich in der Erklärung.
Das Europäische Parlament werde sich in den nächsten Jahren mit einer Reihe bedeutender Themen auseinandersetzen, die sehr viele Menschen betreffen. Es gehe vor allem um die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, durch die zahllose Arbeitsplätze gefährdet sind. Die Abgeordneten würden aber immer wieder auch vor grundlegenden Fragen stehen, die für die Wahlentscheidung eines Christen von großer Bedeutung sind, halten die Bischöfe fest. Das betreffe etwa den umfassenden Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende, den verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung, die Unterstützung der Familien oder den Umgang mit Asylwerbern.