"Konzil war Gegenpol zu Kampf der Kulturen"
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) stellt einen wichtigen Moment nicht nur für die katholische Kirche, sondern für die gesamte Menschheitsgeschichte dar. Das betonte der Tübinger Theologe und Konzilsexperte Peter Hünermann in einem "Kathpress"-Interview aus Anlass des 50. Jahrestages seit Konzilseröffnung am 11. Oktober 1962. Eine ganze Reihe von Ergebnissen des Konzils wie etwa die Öffnung gegenüber anderen Religionen könne man deutlich als "Gabe des Geistes" erkennen. Das soeben angelaufene "Jahr des Glaubens" könne dazu beitragen, dass die Beschlüsse nicht bloß auf dem Papier bestehen bleiben, so der deutsche Theologe.
Einschneidend sei das Konzil laut Hünermann vor allem deshalb gewesen, da sich die Kirche nicht nur grundsätzlich mit einem Dialog zwischen den Religionen einverstanden erklärte, sondern diesen durch die Anerkennung wahrer Glaubensinhalte beim jeweils Anderen nun auch vorantreiben wollte. "Wenn mehr als eine Milliarde Menschen so einer Sache zustimmen, ist das ein menschheitliches Faktum, das ganz im Gegensatz zum 'Clash of Civilizations' steht." Der Aufruf zum "Jahr des Glaubens" sei der richtige Schritt, um das Beschlossene weiter umzusetzen, so Hünermann.
Das Konzil erfordere zudem einen neuen Umgang mit Dogmen, insbesondere in der ökumenischen Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen. "Die simple Lösung, 'Was definiert ist, ist definiert in alle Ewigkeit', ist falsch, da sie jede Annäherung in Ewigkeit ausschließt. Das wäre nicht der Wille Gottes", so Hünermann. Wichtig sei es, frühere dogmatische Beschlüsse wie etwa jene des Konzils von Trient im zeit- und kirchengeschichtlichen Zusammenhang zu sehen. "Man kann die heutige Generation protestantischer Theologen nicht behandeln wie Schismatiker, sondern muss einen Dialog führen und gemeinsam Gräben überwinden, denn auch sie wollen ja eine Einheit mit uns."
Ebenso erinnere das Konzil daran, dass der große Veränderungsprozess der Gesellschaft neue ethische und moralische Fragen aufwirft, die auch neue Antworten erfordern. "Die früheren Moralprinzipien liefern grundlegende Orientierung, sind jedoch nicht zureichend. Statt die alten Sätze zu wiederholen, muss man nun die Detailarbeit machen", erklärt der Dogmatiker. Beispiele für die offenen Fragen seien die Mitverantwortung des Menschen für die Erhaltung des Planeten, die medizinischen Möglichkeit zu Veränderungen im Erbgut, moderne Waffensysteme oder auch die "strukturelle Sünde" bei fehlender Kontrolle von staatlichen oder finanziellen Machtsystemen.
Quelle: Kathpress