Krise erfordert Ausbau des Sozialstaats
Welchem Gott wollen wir dienen - dem christlichen, oder dem Gott des Geldes? Diese Frage müssten sich die Katholiken stellen, sagte die Salzburger Theologin und Leiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) Magdalena Holztrattner im Gespräch mit der aktuelle Ausgabe der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag". Die Wirtschaftskrise habe alle durchgeschüttelt, die Reichen stiegen dennoch als Gewinner aus. Verantwortung für Christen wäre, nicht immer den eigenen Vorteil zu suchen, sondern "auch zu schauen, dass es der Nachbarin oder dem Kollegen gut geht".
Junge Menschen ohne Erwerbsarbeit, niedrige Einkommensbezieher, Menschen in Regionen mit wenigen Arbeitsmöglichkeiten, besonders Frauen, seien die Verlierer der Krise. Ein Großteil der Rettungsmaßnahmen werde über ihre Steuern, den Verlust ihrer Einkommen und vorenthaltene Sozialleistungen gezahlt, so Holztrattner.
Christliche Überzeugungen müssen im Alltag gelebt werden und die wirtschaftliche Dimension miteinbeziehen. Das Ergebnis internationaler Wirtschaftsbeziehungen seien große Gewinne für einige wenige und große Verluste für die Mehrheit. Als Konsumenten, Arbeitnehmer und Unternehmer seien alle Österreicher in diese Strukturen verstrickt. "Als Christen müssen wir uns dazu positionieren", ist Holztrattner überzeugt.
Glaube man an den biblischen Gott des Lebens, müsse man sich auf die Seite der Unterdrückten, der armen Menschen und der Natur stellen. "Dazu muss das Christentum politisch sein." Es gehe darum, den Armen eine frohe Botschaft zu verkünden. "Wenn die letzte Instanz bei Entscheidungen nicht das Wohl der Menschen ist, sondern das Wohl des Marktes und der individuellen Interessen, läuft etwas falsch", so die Religionspädagogin.
Wolle Europa Vorbild sein, brauche es neue Ideen, eine neue Sprache und neue Konzepte. Griechenland könne ein Anlass sein zu überlegen, welche neuen Wege es gibt, die nicht ganze Bevölkerungen in die Knie zwingen. Die Selbstmordrate sei in Griechenland seit Beginn der Krise massiv gestiegen, ebenso die Zahl der Totgeburten.
Um die Schere zwischen großen Vermögen und niedrigen Einkommen nicht noch stärker auseinander zu treiben, müsse man sich dafür einsetzen, diese Art von Sparprogrammen zu beenden, Spekulationen zu unterbinden und Steueroasen auszutrocknen. Auch eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, die durch minimale Besteuerung große finanzielle Ressourcen für den Sozialstaat generiere, sei sinnvoll.
"Mein Wunsch ist auch, dass in Österreich ein neues Bewusstsein gegenüber Steuern wächst", äußerte sich Holztrattner. Nur durch Steuern könne der Staat dafür sorgen, dass staatliche Gesundheitsversorgung und Bildung zufriedenstellend bleiben, das müsse den Bürgern bewusst sein. Größerer sozialer Friede und Zusammenhalt könne durch mehr Transparenz, was Steuern und Gehälter anbelangt, erreicht werden. So könne deutlicher gesehen werden, wo Ungerechtigkeiten verringert werden könnten.
Bestehende wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen und Alternativen kennen lernen können die Teilnehmer des ksoe Lehrgangs "Geld und Leben", der am 9. April in Salzburg startet. Infomationen: www.ksoe.at