Jugendgedenkmarsch und Glockenläuten
An zahlreichen Orten gedenken katholische Gruppierungen in dieser Woche des Kriegsendes und der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus vor 70 Jahren. Es sei "wichtig, Bewusstseinsbildung zu betreiben und Jugendlichen die Bedeutung eines respektvollen Miteinanders zu verdeutlichen", betonte dazu die Vorsitzende der Katholischen Jugend Österreichs (KJÖ), Sophie Matkovits, in einer Einladung zum Jugendgedenkmarsch in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Dieser findet am Sonntag im Rahmen der offiziellen Gedenkfeier statt, bei der u.a. ein ökumenischer Wortgottesdienst mit dem orthodoxen Metropoliten Arsenios, dem evangelischen Bischof Michael Bünker und Caritas-Präsident Michael Landau geplant ist.
Man wolle der "unfassbaren Gräueltaten" der Naziregimes und seiner Opfer gedenken, zugleich aber auch 70 Jahre Freiheit, Demokratie und Menschenrechte feiern - Werte, die auch in Zukunft immer hochgehalten, gepflegt und auch vorgelebt werden sollten, wie Matkovits betonte. Der jährliche Gedenkmarsch sei ein Ausdruck dafür, dass sich die Katholische Jugend dieser Verantwortung bewusst sei und bis heute als Gründungsmitglied beim "Mauthausen Komitee Österreich" für den Erhalt des historischen Gedächtnisses einsetze.
Der Gedenkmarsch, der vom Mauthausener Steinbruch ausgeht, sei auch ein Zeichen für Toleranz und Frieden: Die hier erlebte Vielfalt - erwartet werden Jugendliche aus unterschiedlichen Organisationen - sei ein "klares Zeichen dafür, dass die junge Generation an einem Strang zieht, wenn es um eine friedvolle Zukunft geht. Das Gefühl des Miteinanders erfüllt mit Freude und gibt vielen Mut und Hoffnung." Für an der Teilnahme Interessierte aus Wien organisiert die Bundesjugendvertretung einen kostenlosen Bustransfer. (Infos: http://www.bjv.at)
"Den Anfängen wehren"
Als wichtiges Ereignis für alle Friedensbewegungen bezeichnete "Pax Christi" das Ende des Nationalsozialismus vor 70 Jahren: Sowohl der 5. Mai als der Gedenktag der Befreiung des KZ Mauthausens sowie auch der 8. Mai als Gedenktag der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht hätten als zentrale Botschaft "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg", betonte der Generalsekretär der katholischen Friedensbewegung, Jussuf Windischer. Es sei wichtig, neben dem Opfergedenken besonders der Jugend den Gegenwartsbezug zu vermitteln, sei doch auch heute die Gefahr unmenschlicher Taten an "Andersdenkenden, Andersgläubigen, anders Sprechenden und anders Aussehenden" nicht gebannt.
Anlass zur Nachdenklichkeit würde das Erstarken von rechtslastigen nationalistischen, antisemitischen und islamfeindlichen Parteien in Europa geben, betonte Windischer. "Es gilt, den Anfängen zu wehren!" Orte des Antisemitismus, Judenhasses und Judenverfolgung, "an denen das menschenverachtende System des Nationalsozialismus gewütet und gemordet hat", sollten mit gebührendem Respekt in Erinnerung gerufen werden. Entsprechen begeht "Pax Christi" das Gedenken in ehemaligen Konzentrationslagern: In einer Gedenkreise wurde bereits im KZ Dachau an die Verbrechen u.a. an Juden, Roma und Regimegegnern erinnert und zeitgenössischer Antisemitismus und Rassismus zum Thema gemacht, im September ist das KZ Auschwitz an der Reihe.
Opfergedenken im Mühlviertel und Innsbruck
Zudem organisiert "Pax Christi" Gedenkveranstaltungen in ganz Österreich: Etwa in Innsbruck wird derzeit ein Stadtrundgang für den Herbst vorbereitet, der vom Anhaltezentrum Reichenau im Osten durch die Stadt bis zum im Westen gelegenen "Waldhüttl" führt, wo eine Widerstandsgruppe verraten, nach Reichenau gebracht und schließlich in Auschwitz oder Buchenwald ermordet wurde.
Im oberösterreichischen Treffling wurde auf Einladung von "Pax Christi" Oberösterreich bereits in der Vorwoche am Rande des heutigen Truppenübungsplatzes von 18 Menschen aus Peilstein und Freistadt gedacht, die am 28. April und am 1. Mai 1945 an diesem Ort exekutiert worden waren. Die Peilsteiner hatten der vorrückenden US-amerikanischen Armee, die bereits an der bayrischen Grenze stand, den Weg durch Wegräumen der Panzersperren freimachen, um größeres Unheil abzuwenden. Die Bürger aus Freistadt hatten sich vor allem durch Unterstützung notleidender Familien inhaftierter Freunde des "Hochverrates" schuldig gemacht.
Heute erinnern in Treffling 18 Stahltafeln an die Ermordeten, deren Namen sie tragen. Sie wurden von einer Abteilung der Hitlerjugend/Volkssturm erschossen - "jungen Knaben aus dem letzten Aufgebot", wie "Pax Christi" betonte. Eine unbeschriftete Tafel erinnert an die vielen, die in den letzten Kriegstagen die Folgen "wahnsinniger Befehle" nicht überleben sollten - "normale Menschen, die dem verhungernden Fremden ein Stück Brot gereicht hatten". Begleitet wurde die Gedenkstunde durch jiddische Lieder aus dem Warschauer Ghetto, dargeboten vom Musikerduo "Kohelet3".
Friedensglocken in Niederösterreich
Zu einem Glockenläuten anlässlich des Weltkriegs-Gedenken hat am Mittwoch die Diözese St. Pölten aufgerufen: Am Freitag von 11.47 Uhr sollen die Glocken der Pfarren und Klöster Niederösterreichs sieben Minuten lang an die 70 Jahre Kriegsende und Frieden in Österreich erinnern, um "dem Frieden Gehör zu verschaffen", teilte die Diözese mit. Schließlich würden alle großen Ereignisse, viele emotionale Begebenheiten und jedes wirkliche Fest durch "Läuten der Glocken" kundgetan, so die Initiatoren. Zahlreiche Donaugemeinden und -klöster haben ihre Teilnahme bereits bestätigt.
Ausgangspunkt des Geläutes wird die "Friedensgemeinde" Erlauf sein, wo am Freitag ein Friedensmuseum eröffnet wird. In dem nahe der Donau gelegenen Ort im Bezirk Melk trafen am 8. Mai 1945 der amerikanische Generalmajor Stanley Reinhart und der sowjetische Generalmajor D.A. Drickhin zum Inkrafttretens des Waffenstillstandes und der bedingungslosen Kapitulation von Nazi-Deutschlands zum "Offiziellen Handschlag" aufeinander. Dieser Handschlag bedeutete auf österreichischem Boden das Ende des Zweiten Weltkrieges.
Weitere kirchliche Gedenkveranstaltungen sind u.a. eine multireligiöse Gebetsfeier in der Wiener Augustinerkirche am Freitag (18.30 Uhr) mit jüdischer, muslimischer, katholischer, orthodoxer und evangelischer Beteiligung, bei der für die 60 Millionen Todesopfer des Krieges symbolisch 60 Kerzen entzündet werden. Kardinal Christoph Schönborn feiert am Freitag um 19 Uhr in der Basilika Kleinmariazell einen Gottesdienst, bei dem der Opfer des Krieges gedacht und für die 70-jährige Friedenszeit seither in Österreich gedankt werden soll.