Theologin: Partizipation für Zukunft der Kirche von hoher Relevanz
Unter dem Generalthema "Partizipation als Bereicherung des Lebens in Gesellschaft, Kirche und Schule" stand am Mittwoch der "Schultag" im Rahmen der Herbsttagungen der heimischen Ordensgemeinschaften. Den Kirchen-Teil übernahm dabei die Passauer Pastoraltheologin und frühere Leiterin des Pastoralamts der Diözese Gurk-Klagenfurt, Anna Hennersperger, die Partizipation als höchst relevant für die Kirche und ihre Zukunft bewertete. Im Moment beobachte sie allerdings einen Rückgang bei der Beteiligung des Volk Gottes an den Entscheidungsfindungen in der Kirche, mahnte die Theologin. Sie sprach gar von einer "Scheinbeteiligung".
Ohne eine stärkere Partizipation im Sinne eines Entscheidungsrechts in festgelegten Bereichen werde das kirchliche Engagement weiter ausdünnen. "Es muss hier dringend etwas auf den Weg kommen, denn viele haben sich schon von der Kirche verabschiedet und setzten ihre Charismen in anderen Bereichen ein", so Hennersperger.
In der Kirche sei Partizipation vor allem in Prozessen von Synodalität gegeben, die als "Weggemeinschaft" von Beginn an zentrales Instrument der Entscheidungsfindung der Kirche gewesen und bereits in der Apostelgeschichte belegt sei, erläutert die Theologin in ihrem Vortrag. Dieser stand unter dem Leitsatz "Die Quadratur des Kreises? - Partizipation und Katholische Kirche". Im Laufe der Zeit habe sich die Rolle der Gläubigen allerdings von Gesetzgebenden zur beratenden Form zurückgebildet, so Hennersperger. Bei dieser Rückbildung sei es bis heute geblieben.
Im heutigen Verständnis werde Partizipation vor allem als Beteiligung oder Anteilnahme gebraucht. Die Pastoraltheologin verwies auf die US-Sozialwissenschaftlerin Sherry Arnstein, die schon vor gut 50 Jahren bis heute Grundlegendes zum Thema Partizipation erarbeitet habe. U.a. lasse sich Partizipation in drei Gruppen einteilen: "keine Beteiligung", "Scheinbeteiligung" und "echte Beteiligung". Der Befund Hennerspergers für die Kirche in dieser Hinsicht: "Scheinbeteiligung".
Deutlich machte sie das am Beispiel der Pastoralgemeinderäte, die nur eine beratende Funktion hätten. Und auch Rom setze immer wieder "Bremsblöcke". Der Kirche empfahl die Theologin deshalb zuzuhören. "Zuhören ist eine Begegnung mit Freiheit, die Demut, Geduld, Verständnisbereitschaft und das Bemühen erfordert, Antworten neu zu formulieren", so Hennersperger.
Einen "grundlegenden Perspektivwechsel" beim Verständnis von Kirche und Partizipation habe das Zweite Vatikanische Konzil in den 1960er-Jahren gebracht: "Das Konzil hat Kirche wieder als Volk Gottes erkannt. Ein Volk, das unter dem Zeichen Jesu gemeinsam auf dem Weg durch die Zeit ist." Gespeist werde diese Vorstellung von der Idee einer durch die Taufe verliehenen Anteilnahme am Priestertum Christi jedes Gläubigen. Partizipation werde dann sichtbar, "wenn jeder mit seinem Charisma das Evangelium verkündet". Das Konzil verstehe Gläubige nicht bloß als Objekte, sondern als Subjekte der Verkündigung. Viele Anstöße, die das Zweite Vatikanische Konzil für die Ekklesiologie gebracht haben, "warten heute noch darauf, deutlich umgesetzt zu werden", zeigte sich Hennersperger ungeduldig.
Sichtbar werde das Kirchenbild etwa in der Eucharistiefeier. Kritik übt die Theologin hier am Begriff "Gottesdienstbesucher", denn "Besucher kommen und gehen, gehören aber nicht im vollen Sinne dazu".
Mit der gesellschaftlichen bzw. demokratiepolitischen Dimension von Partizipation befasste sich im Anschluss an Hennersperger die Wiener Politologin Tamara Ehs. Über Partizipation und Schule referierte Rebbeka Dober, Mitbegründerin des Social Startups "YEP", das Jugendliche unterstützt, die etwas verändern wollen. In Schulen, Vereinen und Unternehmen veranstaltet sie partizipative Prozesse, um die Perspektiven von jungen Menschen einzubringen, damit diese mitgestalten können. Die Schul-Tagung fand Corona-bedingt nicht, wie sonst üblich, im Wiener Kardinal König-Haus statt, sondern wurde online abgehalten.
(Infos zu den Herbsttagungen der Orden: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress