Bioethiker Beck: Suizidbeihilfe-Urteil kam nicht überraschend
Als "Urteil, das aufgrund der Gesamtstimmung zu erwarten war" hat der Moraltheologe Matthias Beck die Aufhebung des Suizidbehilfe-Verbots durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) bezeichnet. Dass die direkte Tötung auf Verlangen verboten bleibe wie auch das Verleitens einer Person zum Suizid, halte er zumindest angesichts der wahrnehmbaren Stimmung in der Bevölkerung für "weise ausgewogen", so der Priester und Mediziner, der auch Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt ist, im Interview mit Kathpress am Freitagabend.
Insgesamt sei die VfGH-Entscheidung sehr offen ausgefallen, denn es sei beispielsweise nicht festgelegt worden, ob die künftig nicht mehr unter Strafe gestellte Hilfe beim Töten künftig durch einen Verwandten oder einen Arzt geschehen kann. Die Höchstrichter hätten weiters auf eine Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber dem Patienten verwiesen, um dessen freie Zustimmung für den Suizid ohne Einwirkung von Druck von außen sicherzustellen. Denn: "Wenn auf freie Selbstbestimmung rekurriert wird, so muss sie auch tatsächlich frei sein", betonte Beck. Um dies abzusichern, besitze der Gesetzgeber nun einen Freiraum; dahingehende Entscheidung gelte es für eine endgültige Beurteilung vorerst abzuwarten.
Nicht aufgehoben hätten die Verfassungsrichter den Straftatbestand der Verleitung zum Suizid, unterstrich Beck. Daraus ergäben sich interessante Fragen, die noch genauer zu beantworten seien: "Es könnte dadurch etwa verboten bleiben, dass ein Krankenhaus damit Werbung macht", erklärte der Bioethiker. Auch das Drängen einer Dritten Person gegenüber einem älteren Patienten, Suizidbeihilfe etwa aus ökonomischen Gründen in Anspruch zu nehmen, sollte damit unterbunden bleiben. Dass der VfGH in seinen Erläuterungen die "vielfältigen sozialen und ökonomischen Umstände" erwähnt habe, die am Lebensende Einfluss in die freie Selbstbestimmung nehmen könnten, hob Beck würdigend hervor.
Suizidprophylaxe stärken
Aus christlicher Sicht müsse man freilich danach fragen, "ob sich der Mensch überhaupt selbst töten oder Hilfe bei der Selbsttötung suchen soll", betonte der Moraltheologe. Von kirchlicher Seite her sei nach dem VfGH-Urteil jedenfalls alles an eine verstärkte Suizidprophylaxe zu setzen - "dass wir dem Menschen helfen, dass er gar nicht in die Situation kommt, den Wunsch zu äußern, sich zu töten oder dabei um Hilfe zu bitten". Mit allen denkbaren Maßnahmen müsse der Vereinsamung von Menschen entgegengewirkt werden. "Denn oft steckt ja hinter dem Todeswunsch nicht unmittelbar der Wunsch, getötet zu werden, sondern, nicht alleingelassen zu werden, nicht ausgeliefert zu sein und nicht alleine an Schläuchen liegen zu müssen".
Besonderer Wert komme daher nun der Palliativmedizin und den Hospizen zu: "Deutlicher als bisher muss kommuniziert werden, wie man dem Menschen die Schmerzen nehmen kann und wie gut die Versorgung im Hospiz oder mobilen Hospiz ist." Suizidprävention sei somit aus christlicher Sicht ein unbedingtes "Gebot der Stunde".
Quelle: kathpress