
Zulehner: Synodaler Prozess braucht Geschäftsordnung
Positiv überrascht über den bisherigen "Synodalen Prozess" hat sich der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner geäußert. Es zeuge von einem "gewissen Realismus", dass nach der ersten Phase der Vorbereitung für die Bischofssynode 2023 ein "Hin- und Herwandern des im Geistraum Gehörten" zwischen unterschiedlichen Ebenen - konkret den Bischofskonferenzen, den Räten der kontinentalen Bischofskonferenzen und der Synode - vorgesehen ist. "Zeichnet sich eine Geschäftsordnung ab, ohne die Spiritualität am Ende doch ein Feigenblatt für einen munter fortlebenden Klerikalismus darstellt, der freilich einen anderen Namen hat, nämlich 'Unterscheidung' und diese letztlich allein durch Bischöfe und Papst?", so die Hoffnung des Wiener Experten.
Zulehner äußerte sich auf seinem Blog in einem Kommentar zu jener Pressekonferenz, auf der am Freitag im Vatikan unter anderem die Kardinäle Mario Grech und Jean-Claude Hollerich sowie die vatikanische Synoden-Untersekretärin Sr. Nathalie Becquart zum Abschluss der "ersten Etappe des Zuhörens" im Synodalen Prozess gesprochen hatten. Am Podium sei "untertönig manche Kritik" an Vorstellungen des deutschen Reformprojekts "Synodaler Weg" geäußert worden, so die Beobachtung des Theologen. So hatte etwa Kardinal Grech erneut darauf hingewiesen, der Heilige Geist müsse bei dem Prozess das Sagen haben, es gelte um ein "Hören, was Gott von seiner Kirche heute erwartet" und es gelte auf alle zu hören, "weil der Geist allen gegeben ist".
Der Verweis auf den Heiligen Geist liefere zugleich auch einen "Kontrapunkt" zu dem laut Zulehner aus Rom öfters durchklingenden Fehlen an Wertschätzung für Demokratie, welche derzeit weltweit bedroht sei. Oft spüre man die Sorge, der synodale Prozess könne "in ein demokratisches Gerangel verkommen". Bei der Pressekonferenz habe Kardinal Grech hingegen auf den großen Schatz an Synodalität der Orden verwiesen. "Man weiß allerdings, dass die Demokratie diesen hochpartizipativen Strukturen in den Orden - etwa der Dominikaner - viel verdanken. Vielleicht könnte die klerikal-autoritär deformierte Kirche heute wieder einiges zurücklernen", zeigte sich Zulehner zuversichtlich.
Eine Rückfrage stellte der Wiener Theologe in seinem Blog insbesondere zu der von vatikanischer Seite ebenfalls eingeforderten "Unterscheidung der Geister", bei deren Erwähnung stets "eine gewisse Unschärfe im Raum" stehe, wie er befand: "Haben diese Geistesgabe alle Getauften? Oder wird diese Geistgabe doch wieder klerikalisiert, weil sie eben nur die Ordinierten haben?", so der Religionssoziologe und frühere Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Insgesamt sei auf der Pressekonferenz jedenfalls gute Stimmung erzeugt worden, sogar von "Enthusiasmus" sei die Rede gewesen. Dass zwei Tage nach Einsendeschluss noch keine Inhalte präsentiert wurden, sei laut Zulehner zu erwarten gewesen. Offenbar sei von vatikanischer Seite der Termin "deshalb so früh angesetzt worden, um die Euphorie nicht durch inhaltliche Streitthemen zu trüben", so seine Vermutung.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren beschäftigt sich die katholische Kirche derzeit sehr eingehend mit der Frage, wie sie ihre Entscheidungen finden und welche Formen von Mitbestimmung es dabei geben soll. Im Oktober 2023 gibt es in Rom dazu eine Weltbischofssynode, die den Titel "Eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation, Mission" trägt. Die erste der vorgesehenen drei Phasen verlief auf Ebene der Diözesen und wurde soeben abgeschlossen. Weitere Beratungsebenen sind nach der Erstellung eines ersten Arbeitsdokuments die kontinentale und die weltkirchliche. Die Endredaktion der Österreich-Synthese der Befragungen wurde im August an das zuständige Synoden-Generalsekretariat im Vatikan gesendet und soll Mitte September veröffentlicht werden.
Quelle: Kathpress