![Sozialethikerin Noreen van Elk / MIG-Pictures e.U. / Michaela Greil](/img/75/ba/549fd4fd41ee507572fd/Sozialethikerin_Noreen_van_Elk-asset-0c40d8c68a23d0d30e30.jpg)
Theologin: Kirchliche Friedensethik kein "naiver Pazifismus"
Für verstärkte Mitsprache der Theologie in der Debatte über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Sozialethikerin Noreen van Elk ausgesprochen. Die christliche Friedensethik habe sich seit der Friedens-Enzyklika "Pacem in terris" und seiner erstmaligen Ablehnung von der Lehre des sogenannten "gerechten Krieges" deutlich weiterentwickelt. Das Papstschreiben von 1963 sei jedoch weiter hochaktuell, so die Wiener Theologin in einem aktuellen Beitrag für das Feuilleton-Portal feinschwarz.net. Besonders der Stellenwert, den das kirchliche Dokument dem Schutz der Menschenrechte, der Internationalen Gerichtsbarkeit und der institutionalisierten supranationalen Zusammenarbeit für Friedenssicherung gebe, verdiene höhere Aufmerksamkeit.
Es habe sie "verwundert", dass an "Pacem in terris" zwar zu dessen 50. Jahrestag am 11. April 2013 breit erinnert wurde, zehn Jahre später jedoch trotz ihrer inzwischen brennenden Aktualität kaum mehr, ließ van Elk die vergangenen Wochen Revue passieren. Eine breite Debatte über die Relevanz des vor dem Hintergrund der Kuba-Krise und der ebenfalls vorherrschenden Angst vor einer atomaren Eskalation verfassten Schreibens von Papst Johannes XXIII. stehe angesichts des Ukrainekrieges weitgehend aus. Vielmehr gebe es kritische Anfragen an die kirchliche Friedenslehre und sogar an die christliche Friedensethik überhaupt - als ob ihr keine Antworten für die gegenwärtige Situation zugetraut würden oder eine Revision ihrer Positionen nötig wäre.
Vorgeworfen werde der Friedensethik, dass sie heute vor allem ein Paradigma des "gerechten Friedens" vertrete und Krieg aus ihrer Sicht "nicht sein darf und nicht soll", erklärte Van Elk. Als Widerspruch empfunden werde dabei die Tatsache, dass es trotzdem weiter Kriege gibt und die Anwendung militärischer Gewalt zum Schutz von Frieden, Freiheit, Menschenrechten und Demokratie manchmal unumgänglich ist. Entsprechend hätten Kritiker auch eine eindeutige Positionierung von Papst Franziskus in den ersten Monaten des Angriffskrieges gefordert und das Lehramt der Kirche bei diesem Thema hinterfragt.
Für die Wiener Sozialethikerin ist es hingegen ein "unbegründeter Schnellschuss", "Pacem in terris" und mit ihr die christliche Friedensethik als überholt anzusehen. Nicht übersehen dürfe man, dass die Enzyklika aus dem Jahr 1963 ihre Ablehnung eines "gerechten Krieges" einbette in die Vision einer internationalen politischen Ordnung, "die auf Menschenrechten, internationalem Recht und internationaler Gerichtsbarkeit aufgebaut ist". Die darin enthaltene Forderung zur Überwindung des Krieges sei somit "kein naiver Pazifismus", sondern die Überzeugung, "dass Frieden nur durch internationales Recht und internationale Institutionen erreicht und dauerhaft gesichert werden kann".
Bestärkt sah sich van Elk durch Aussagen der Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matviichuk. Bei einem Vortrag an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien im Februar hatte die ukrainische Menschenrechtsaktivistin eindringlich im Kontext des Krieges in ihrem Land die zentrale Bedeutung des internationalen Rechts und der internationalen Gerichtsbarkeit hervorgehoben. Diese sollten auf die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte reagieren und sie konsequent verfolgen, und zwar unverzüglich statt erst nach einem Ende des Krieges.
Über die genaue Umsetzung und die Grenzen der in "Pacem in terris" enthaltenen Vision lasse sich streiten, räumte van Elk ein. Fest stehe jedoch, "dass Frieden auch im heutigen Kontext und 60 Jahre nach der Veröffentlichung der Sozialenzyklika ohne effektiven Menschenrechtsschutz, Verfolgung und Ahndung von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen sowie Institutionen der internationalen Gerichtsbarkeit undenkbar ist". Über Fragen wie etwa, wie Russland zur Rechenschaft gezogen und wie Kriegsgräuel effektiv aufgedeckt und verfolgt werden könnten, müsse debattiert werden - und nicht nur um die Frage, "wie es sich nun um einen gerechten Krieg verhält", betonte die Theologin.
Quelle: kathpress